WM gucken mit ...
: Portugiesen in Hamburg

Allzu leicht werden die Portugiesen in den großen Topf mit all den lebenslustigen oder gar leichtlebigen Südländern geworfen, die angeblich rund ums Mittelmeer leben. Da können sie traurigen Fado singen so lange sie wollen. Dabei haben sie nichts als 1.793 Kilometer raue Atlantikküste - und da liegt auch schon ein wesentlicher Unterschied: Es regnet nämlich zumindest in der Küstenregion um Porto, aus der viele der Hamburger Portugiesen stammen, alle Nase lang. Und über Jahrhunderte wusste man nie so ganz genau, ob die Männer von See zurückkehren würden. Das prägt. Das macht skeptisch. Und das macht vorsichtig.

Super Idee, sagt unsere Freundin, das Spiel Portugal – Niederlande im Hamburger Portugiesenviertel zu sehen. Der ironische Unterton ist nur zu erahnen. Zwischen Venusberg und Johannisbollwerk findet sich wohl die weltweit höchste Dichte an portugiesischen Restaurants außerhalb Portugals. Leider sind noch ein paar andere Hamburger auf die „super Idee“ gekommen. Überall heißt es: „Seit vier Tagen ausgebucht.“ Portugiesen sind eben vorsichtige Leute.

Auf der Ditmar-Koel-Straße schwillt die Menge Richtung Tausendergrenze. Zum Glück hat hier jede kleinste Kaschemme einen Videobeamer, so dass man auch aus zweiter Reihe fast immer einen Blick auf das Spielgeschehen erhaschen kann. Die Menge ist trotzdem seltsam ruhig: Verhaltener Jubel bei Maniches 1:0, als ahnten sie, dass noch Böses kommen würde. Skeptiker eben. Und als kurz vor der Pause Costinha vom Platz fliegt, macht sich portugiesische Melancholie breit. Alle wirken überzeugt, dass den Niederländern der Ausgleich gelingt, und es ist, als wollten sie das verhindern, indem sie die nächsten 45 Minuten die Luft anhalten. Contenance scheint die Devise zu sein. Ein alter Mann im Trikot der Seleçao wird vom Kellner rüde zurechtgewiesen, als er es wagt, eine Topfpflanze aus dem Sichtfeld zu rücken.

Emotionen bringt erst das klassisch-südländische Temperament des marokkanisch-niederländischen Grobians Khalid Boulahrouz in die Menge, auch der nächste Frühduscher Deco beschwört noch mal Gefühlswallungen herauf. Aber was so in den Portugiesen steckt, holt erst Schiedrichter Ivanov ans schwindende Tageslicht - mit dem Schlusspfiff. Ausgezittert! Menschen, die bis eben angststeif nebeneinander kauerten, liegen sich in den Armen. Sie brüllen sich die ganze Anspannung aus dem Leib. Sie tanzen im standesgemäßen Regen, der inzwischen eingesetzt hat. Sie hüpfen in Pfützen. Und natürlich gibt es für die nächsten Stunden einen Autocorso rund ums Portugiesenviertel. Ganz unskeptisch. jank