: Medienrummel bringt noch keine Lehrstellen
An der Herbert-Hoover-Schule ist Normalität eingekehrt: Für die Absolventen beginnt die schwierige Suche nach einem Beruf. Schülersprecher Asad Suleman blickt mit viel Optimismus in die Zukunft – seine Freunde mit etwas weniger
Der Ernst der Lage ist ihnen anzusehen: Für die Zehntklässler Asad, Tufan und Cebrail geht ein Lebensabschnitt zu Ende. Noch wenige Tage, dann ist ihre Zeit an der Herbert-Hoover-Realschule vorbei. Die Zukunft beginnt. Aber wirklich Hoffnung, seine Ziele verwirklichen zu können, macht sich nur einer der drei Jugendlichen aus dem Wedding.
Den mittleren Schulabschluss haben sie alle bestanden: „Ganz gut“, sagt Asad, seine Freunde nicken – Angeber sind die drei nicht. Ein anderer Schüler verrät immerhin, dass Cebrail eine Eins in Französisch hatte. Mehr als eine Sprache können sie alle: Tufan ist Türke, Cebrail Kurde und Asad, der von Geburt an Deutscher ist, spricht Urdu, die Sprache der pakistanischen Heimat seiner Eltern. Englisch und Französisch hatten die drei in der Schule, und ihr Deutsch ist nahezu perfekt. Deutsch ist schließlich der pädagogische Schwerpunkt der Herbert-Hoover-Realschule im Wedding, die für ihre Schulregel, auch in den Pausen nur Deutsch zu sprechen, heute den Nationalpreis bekommt.
Asad Suleman hat die Regel immer verteidigt. Als Schülersprecher war der 17-Jährige an ihrer Entstehung beteiligt: Sie wurde mit den Schülern besprochen und in der Schulversammlung abgestimmt. Dass nach dem Bekanntwerden dieser Vorschrift ein Sturm über die Hoover-Schule hereinbrach, kommentieren die drei heute mit einem Achselzucken: „Stressig“ sei das gewesen, die Kamerateams, die die Schule tagelang belagerten, die Journalisten, die Stellungnahmen haben wollten.
Heute haben die drei andere Sorgen. Arzt würde er eigentlich gerne werden, erzählt Asad, doch dafür reichen seine Noten nicht. „Ist meine Schuld – ich hätte mich mehr anstrengen müssen“, sagt der 17-Jährige, der mit der Erscheinung eines Bodybuilders das gute Benehmen eines Lieblingsschwiegersohns kombiniert. Eine Ausbildung in einem Fitnesscenter hätte er machen können, doch Asad will lieber erst das Fachabitur machen. Was danach kommt? Mal sehen. „Je mehr ich mich anstrenge, desto mehr kann ich erreichen“, lautet Asads Motto.
Seine Freunde blicken weniger optimistisch in die Zukunft. Asad ist der Einzige der drei, dessen Vater Arbeit hat: Er betreibt ein kleines Restaurant. Lehrer sei sein Vater in der Türkei gewesen, erzählt Tufan, nun ist er arbeitslos. Der 16-Jährige würde gerne zur Polizei gehen, doch die Chancen, seinen Traum zu verwirklichen, sieht er „gleich null“. Eine Ausbildung machen und dann in die Türkei ziehen – das ist der Rat, den sein Vater ihm gibt. Doch Tufan fühlt sich in Deutschland zu Hause.
Deutsche Freunde haben die drei kaum: „Es gibt hier ja kaum Deutsche“, sagt Cebrail. Mit dem Begriff Parallelgesellschaft können sie etwas anfangen: „Man lebt schon in zwei verschiedenen Welten“, meint Asad. Ihre Welt – damit verbinden die drei Dinge: Höflichkeit gegenüber Fremden, Respekt vor den Eltern, eine strenge Erziehung. Die Welt der Deutschen dagegen: Das bedeutet, dass Kinder ihre Eltern mit dem Vornamen anreden, Jungen ihre Freundinnen nach Hause bringen dürfen, dass man sich so kleiden darf, wie man will.
Ein bisschen neidisch sei er manchmal schon, sagt Cebrail, aber die strengere Erziehung gefällt ihm doch besser. Der 17-Jährige, der den islamischen Namen des Erzengels Gabriel trägt, ist gläubiger Muslim, ebenso wie Asad, der zur Gemeinde der Ahmadiyya gehört. Das darin der Grund für die Kluft zu den Deutschen liegen könnte, schließen sie aus: „Religion hat doch nichts mit Freundschaft zu tun.“
Die drei Freunde machen nach der Realschule gemeinsam weiter: An einem Oberstufenzentrum fangen sie nach den Ferien an. Drei aus ihrer Klasse, erzählen sie, hätten eine Lehrstelle gefunden. Alke Wierth