gebäudewerte : Ganz neue Preise
Üblicherweise wird der Wert eines Gebäudes nach dem Verkehrswert bestimmt – also dem Preis, den ein Verkauf auf dem freien Markt bringen würde. Dieser Preis entspricht meist der zehn- bis zwölffachen Jahresmiete und richtet sich auch nach Lage und Nutzung des Objekts. Deshalb ergeben sich bisweilen für ähnliche Gebäude unterschiedliche Werte.
Zum Ausgleich hat Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) ein kompliziertes Berechnungsverfahren für alle Bezirke erlassen. Deren Immobilien werden zunächst „nach dem Baupreis-Index auf der Basis des Werts von 1913 berechnet“, erläutert eine Mitarbeiterin des Bezirksamts Friedrichshain-Kreuzberg. Eigentlich sei dies eine Grundlage, um den Wiederbeschaffungswert für die Feuerversicherung festzusetzen. Daraus ergibt sich der Buchwert. Würde der Verkehrswert genommen, wären Innenstadtbezirke wegen hoher Grundstückswerte benachteiligt.
Im zweiten Schritt wird der durchschnittliche Wert für den Unterhalt des Gebäudes ermittelt. Am Beispiel der Bibliotheken erklärt der Finanzsenator auf seiner Homepage die Berechnung so: die Ausleihe einer Medieneinheit kostet in Bezirk A ein Euro, in Bezirk B zwei Euro. Beide bekommen dann den Durchschnittswert – 1,50 Euro pro Medieneinheit – zur Verfügung. A könnte sich nun, da er sparsam gewirtschaftet hat, neue Bücher anschaffen, B müsste die Kosten senken. Ähnlich erhält jeder Bezirk einen Durchschnittswert für den Unterhalt seiner Gebäude.
Bezogen auf den geplanten Verkauf des Bethaniens in Kreuzberg hieße das: Der Bezirk spart sich die kalkulatorischen Kosten in Höhe von 815.000 Euro jährlich, erhielte aber trotzdem den durchschnittlichen Unterhaltswert – bis zu dessen Neuberechnung. Kurzfristig gewinnt der Bezirk damit Geld. Deshalb forcieren viele Bezirkspolitiker den Verkauf ihrer Gebäude.
Der Kreuzberger SPD-Abgeordnete Stephan Zackenfels kritisiert, dass sein Parteikollege Sarrazin den Baupreisindex von 1913 zugrunde legt – und nicht den Verkehrswert. Dies führe zu absurden Berechnungen; Bezirkspolitiker würden ihr Tafelsilber rasch verscherbeln. Gleichzeitig verteidigt er Sarrazin. Der Senator frage sich wegen der Haushaltsnotlage zurecht, wo Geld gebunden ist. Mit der Neuberechnung der kalkulatorischen Kosten könne man den Druck auf jene erhöhen, die dieses Vermögen zur Zeit in der Hand haben. Zudem stehe es den Bezirken frei, eine Wertberichtigung beim Finanzsenator zu beantragen. „Viele Bezirke haben die Entwicklung verschlafen“, so Zackenfels. „Jetzt beschweren sich die Bürger zu Recht, dass die Gebäude zum Verkauf an den Liegenschaftsfonds gehen.“ CHV