: Betriebsrat behält sein Klagerecht
Die SPD meint, das Gleichbehandlungsgesetz geht gar nicht über deutsches Arbeitsrecht hinaus – auch jetzt kann der Betriebsrat schon klagen. In letzter Minute Änderungen im zivilrechtlichen Teil: Weltanschauung als Merkmal wurde gestrichen
AUS FREIBURG CHRISTIAN RATH
Das Klagerecht der Betriebsräte und Gewerkschaften beim umstrittenen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) wurde zurechtgestutzt. Dies behauptete gestern CDU-Fraktionsgeschäftsführer Norbert Röttgen nach einem Kompromissgespräch mit seinem SPD-Kollegen Olaf Scholz. Nach SPD-Angaben hat sich jedoch außer einer sprachlichen Klarstellung gar nichts geändert.
Röttgen stand unter Druck, einen Erfolg zu präsentieren. Kanzlerin Merkel hatte bei ihrer Regierungserklärung versprochen, EU-Richtlinien nur noch „eins zu eins“ umzusetzen. Auf Wunsch der SPD war sie dann jedoch beim Gleichbehandlungsgesetz, das Diskriminierungen im Arbeits- und Geschäftsleben verbietet, gleich mehrfach von diesem Grundsatz abgewichen.
Eine der am meisten kritisierten Regeln war das Klagerecht für Betriebsräte und Gewerkschaften, das in der EU-Richtlinie nicht vorgesehen ist. Erst jüngst forderte der Bundesrat, diese Klausel zu streichen, weil sie zusätzliche Bürokratie schaffe. Es sei nicht einzusehen, dass der Betriebsrat auch gegen den Willen eines Betroffenen klagen könne.
Was die aufgeregten Kritiker übersehen haben: Das Klagerecht des Betriebsrats in solchen Fällen existiert längst. Paragraf 23 des Betriebsverfassungsgesetzes eröffnet dem Betriebsrat und jeder „im Betrieb vertretenen Gewerkschaft“ den Rechtsweg, um gegen grobe Gesetzesverstöße des Unternehmens vorzugehen. Auch heute schon ist also eine Klage möglich gegen die unterschiedliche Behandlung von Betriebsangehörigen wegen ihrer Abstammung, Religion oder ihres Geschlechts (Paragraf 75 BetrVerfG). Bleibt das Unternehmen untätig, kann es vom Arbeitsgericht zu einem Ordnungsgeld verurteilt werden.
Letztlich hat das neue AGG nur auf dieses schon immer bestehende Klagerecht verwiesen. Das AGG geht an diesem Punkt zwar über die EU-Richtline hinaus, aber nicht über bestehendes deutsches Recht. Dass dadurch neue Bürokratie geschaffen wird, kann eigentlich nur behaupten, wer sich künstlich aufregen will.
Die SPD versicherte gestern, dass in den Gesetzestext nur neue Klarstellungen eingebaut wurden, um die CDU-Skeptiker ruhig zu stellen. Inhaltliche Änderungen habe es nicht gegeben. Auch die Erweiterung des von der EU geforderten Diskriminierungsschutzes im Geschäftsleben auf Schwule, Alte und Behinderte sei nicht angetastet worden. Der Wortlaut des jüngsten „Kompromisses“ lag bis Redaktionsschluss nicht vor. Laut der Nachrichtenagentur dpa soll auch in den zivilrechlichen Regelungen noch eine Änderung vorgenommen worden sein: Gestrichen wurde laut dpa das Verbot der Benachteiligung wegen einer Weltanschauung.