SPIELPLÄTZE (20) : Trinken und trinken zwischen Plattenbauten
FUSSBALLGUCKEN Deutschland gegen Argentinien beim Plattenfest in Hellersdorf
Ort: Festwiese in Hellersdorf, in der Nähe des U-Bahnhofs Cottbusser Platz. Hin muss da aber niemand mehr. Das Plattenfest des Bezirks Marzahn-Hellersdorf ging Sonntagabend zu Ende.
Sicht: Ausgezeichnet. Die Leinwand ist groß, wenige Leute versperren die Sicht.
Kompetenz: Gefachsimpelt wird so gut wie gar nicht. Man leidet, jubelt und feiert.
Nationalismus: Schwarz-Rot-Gold, soweit das Auge reicht. Für Argentinien war keiner der hier Anwesenden.
Wurst: Ab 3 Euro. Bier: 3,50 Euro.
Möchte man derzeit in Berlin möglichst viele Zuschauer zu einer öffentlichen Veranstaltung, gibt es nur ein Erfolgsrezept: Bier und Fußball. Das bot auch das „Plattenfest“ des Bezirks Marzahn-Hellersdorf am Wochenende. Dafür wurde die Hellersdorfer Festwiese laut Christian Gräff (CDU), Wirtschaftsstadtrat, zur „spannendsten Fanmeile Berlins“ umfunktioniert. Zwar bietet das Kiezfest auch andere Attraktionen, etwa die No Angels und die Ost Berliner Deutschrockband City2, doch Leinwand und rundes Leder sind Dreh- und Angelpunkt. Sobald das Spiel startet, sind Hüpfburgen und Autoscooter verlassen, ein leeres Karussell dreht seine Runden.
Vor der Leinwand haben sich sich mehrere hundert Deutschland-Fans in der flirrenden Hitze versammelt: Pärchen in DFB-Trikots, Fans mit Deutschland-Cowboyhüten und Kinder mit schwarz-rot-gelber Schminke im Gesicht. Tresenfrauen, Kartenabreißer und Imbissbudenbesitzer, die erst in der Halbzeitpause wieder etwa zu tun bekommen. Dann aber richtig. Die erhitzten Massen drängen sich um Grillbuden und vor allem die Bierschänke, obwohl der halbe Liter mit 3,50 Euro recht teuer ist.
Der Spielverlauf ist schnell zusammengefasst. Das erste Tor wird noch verhalten ungläubig bejubelt. Der Treffer von Klose in der 68. Minute bricht die Spannung. Jubelnd prosten sich die Leute zu, vereinzelt explodieren Knaller. Derweil verfehlten Bier und Sonne ihre Wirkung nicht: Eine Frau bricht zusammen und muss zu den bereitstehenden Sanitätern geführt werden. Mitleid mit den Argentiniern haben die wenigsten. Als beim 3:0 durch Arne Friedrich Diego Maradonas immer länger werdendes Gesicht gezeigt wird, stimmt spontan ein Chor an: „Ihr könnt nach Hause fahrn?“, oder „Auf geht’s, Messi schießt kein Tor!“ Nach dem Abpfiff jubeln die Fans durchgehend. „Deutschlaaaand, Deutschlaaaand!“ Was man halt so singt. Nach Bier und Sonne.
Dann stellt Moderator Harald Pignatelli das weitere Programm vor, unter anderem gibt er die Ergebnisse eines im Rahmen des Plattenfestes ausgetragenen Fußballturniers bekannt. Viele Zuschauer gibt es nicht: Die meisten sind bereits auf dem Weg nach Hause. JOHANNES HUB