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Archiv-Artikel

SCHRECKEN DES RADLERS Plakate zu Würsten

Fühlt sich an, als hätte man gerade in die eigene Hand onaniert

Es wird Zeit, sich nach Schlaglöchern und orientierungslosen Touristen über ein weiteres Schrecknis zu beschweren, das der Fahrrad fahrenden Person in Berlin das Fahrradfahren erschwert. Gemeint sind diese grotesken Plakatrollen, die sich vor allem in den bekannten Ausgeh- und Szenebezirken wie Friedrichshain und Kreuzberg inzwischen um jeden zweiten Laternenmast oder um die Fußgängerampeln winden.

Weil jeder der zig Clubs, die es dort gibt, nicht nur permanent irgendeine Veranstaltung zu bewerben hat, sondern dafür auch noch möglichst wenig Geld ausgeben will, wirbt man nicht mehr an teuren Litfaßsäulen oder offiziellen Plakatwänden, sondern umwickelt einen Ampelmasten mit seinem Poster. So stapelt sich Schicht auf Schicht, und es entstehen an manchen Stellen Plakatwürste von ungeheuren Ausmaßen.

Als Fahrradfahrer in Berlin, der schnell von A nach B kommen will, ist man es aber gewohnt, an irgendwelchen Ampeln nicht jedes Mal mühsam abzusteigen, sondern sich an den Masten festzuhalten, während die Füße an den Pedalen bleiben. Wird es grün oder der Verkehr lässt es zu, kann man sich von dem Masten auch noch schön abfedern und so mit Schwung weiterrollen. Aber jetzt hat man an manchen Stellen keine Möglichkeit mehr, sich an einem blanken Metallpfahl festzuhalten, sondern greift nur noch auf diese Papierwülste. Und da diese ja gefühlt im Minutentakt wachsen, greift man regelmäßig in diesen wahrscheinlich gerade eben aufgetragenen Plakatkleister, was sich so anfühlt, als hätte man gerade in die eigene Hand onaniert, nur ekliger.

Bei der nächsten Ampel denkt man dann schon wieder nicht an den Schrecken, der von diesen Papierballen ausgeht. Oder man hofft einfach, dass es dieses Mal gutgehen wird. Und erneut hat man diese Schmiere an den Händen. ANDREAS HARTMANN