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Archiv-Artikel

Kabale unter Euro-Gegnern

RECHTSAUSSEN In zwei Wochen will die Alternative für Deutschland ihre Europa-Kandidaten wählen. Das lockt auch einen obskuren Ex-Piraten an. Nicht der einzige Konflikt, den die Partei gerade auskämpft

AfD-Chef Bernd Lucke gilt internen Kritikern inzwischen als zu angepasst und lasch

BERLIN taz | Ein deutscher EU-Ausstieg sei „unvermeidlich“, schreibt der Bewerber für einen Europa-Listenplatz der Alternative für Deutschland (AfD) in seinem Kandidatenbogen. Carsten Schulz heißt er, 53 Jahre. Als Qualifikation nennt er sein Politinteresse und 17 Jahre Arbeit in London. Dort habe er auch „den Aufstieg von UKIP verfolgt“. Die Partei also, die in England gegen Einwanderer und die EU wettert.

In zwei Wochen will die AfD auf einem Parteitag in Aschaffenburg ihre Kandidaten fürs Europaparlament aufstellen. Die Partei ist nicht chancenlos: 4,7 Prozent erhielt sie bei der Bundestagswahl, für Brüssel reichen 3 Prozent.

30 Bewerber rangeln bereits um einen Platz auf der AfD-Liste. Einer davon ist Schulz. Der ist kein unbeschriebenes Blatt. Bis vor einem Jahr gehörte er noch zu den Piraten, wurde Hannoveraner Direktkandidat für die Landtagswahl. Später forderte er den freien Verkauf von Hitlers „Mein Kampf“ und Straffreiheit für Holocaustleugnung. Die Piraten drängten Schulz ins Aus.

Nun also die AfD. Die Partei verweigert ihm bis heute seine Aufnahme, nun kandidiert er als Parteiloser. „Er wird keine Chance haben“, sagt eine AfD-Sprecherin. Seine Vorschläge bei den Piraten seien „indiskutabel“ gewesen.

Und doch bleibt der AfD ein Problem: Sie wird Gestalten wie Schulz nicht los. Kein Zufall, die Abgrenzung der Partei nach rechtsaußen ist schwammig. Nach der Bundestagswahl brachen ideologische Gräben auf: liberale Euroskeptiker gegen Nationalgesinnte. Immer wieder drängte Parteichef Bernd Lucke rechte Ausreißer zurück, für Mitglieder der islamkritischen Freiheit verhängte er einen Aufnahmestopp.

Inzwischen richtet sich Kritik auch gegen Lucke. Zu angepasst und lasch sei er, sagen Hardliner. Andere werfen ihm Alleingänge vor. Gleich zwei Bundesvorstandsmitglieder traten im letzten Monat zurück. Eine davon, Beisitzerin Irina Smirnova, gab als Grund einen „autoritären Führungsstil“ Luckes an.

Der versucht die Querelen derzeit mit einer Personalie zu überdecken: dem Parteieintritt von Hans-Olaf Henkel. Der Ex-BDI-Chef soll einen Spitzenplatz auf der Europa-Liste bekommen. Auch Lucke will kandidieren.

Die Grabenkämpfe aber bleiben. Ihre jüngste Auflage werden sie am Samstag in Hessen erleben. Dort findet innerhalb von zwei Monaten der dritte Landesparteitag statt, weil sich wiederholt der Vorstand zerlegte. Zuletzt wurde Landessprecher Volker Bartz wegen „parteischädigendem Verhalten“ vom Bundesvorstand des Amtes enthoben. Der Parteitag soll trotzdem über Bartz’ Abwahl abstimmen.

Bartz soll sich einen Doktor- und Professoren-Titel erkauft haben. Zudem hatte er Aussagen des zuvor geschassten Landesschatzmeisters als „philosophisch interessant“ bezeichnet. Dieser hatte geschrieben, dass die derzeitige Demokratie „beseitigt“ werden müsse. Nur so könne man „die satanistischen Elemente der Finanzoligopole von den westlichen Völkern wieder abschütteln, die wie Zecken das Blut der Völker aussagen“.

Lucke hatte die Aussagen verurteilt. Bartz nannte er in einer internen E-Mail einen „Hochstapler und Titelbetrüger“. Lucke selbst und sein Ko-Sprecher Konrad Adam wollen auf dem Parteitag auftreten.

Dort allerdings will auch Bartz erscheinen, der inzwischen die falschen Titel einräumt. Er sei „wohl einem Betrüger aufgesessen“. Mehrere Anhänger hätten ihn dennoch um sein Erscheinen gebeten, sagte Bartz der taz. Zudem stünden rund 100 Mitglieder aus Protest vor dem Austritt. Es dürfte ein munterer Samstag werden für die AfD.

KONRAD LITSCHKO