Der CDU fehlt ein Druckmittel

SPD BREMST HENKEL AUS

Wowereits Grätsche ist strategisch: Er zeigt, wo der Hammer hängt

Die Empörung ist groß in der CDU, weil der ach so böse Regiermeister Wowereit von der SPD ihren Oberchristdemokraten Frank Henkel mit seiner Oranienplatz-Räumung auf den letzten Metern ausgebremst hat. Gemein, dieser Wowi, wie kann der das bloß machen? Ganz einfach: weil er es kann.

Die CDU muss es sich gefallen lassen, Streit hin, Düpierung her – womit will die Partei Wowereit denn unter Druck setzen? Mit einem Koalitionsbruch? Das hätte bloß zur Folge, dass die SPD sich die Grünen ins Boot holt, entweder sofort oder nach Neuwahlen. Zwar liegen die Christdemokraten in der jüngsten Umfrage mit 29 Prozent deutlich vor der SPD und noch viel weiter vor den Grünen. Doch das hilft ihnen gar nichts, so lange Schwarz-Grün in Berlin zwar immer mal wieder Thema ist, aber bislang kaum Chancen hat.

Für die Parteilinken bei den Sozis ist das jetzige rot-schwarze Bündnis sowieso ein reiner Betriebsunfall, den es ohne das heute schier in Vergessenheit geratene Streitthema der Autobahn 100 nicht gegeben hätte. Und wenn die CDU bei Wahlen so stark würde, dass es für die SPD mit den Grünen allein nicht reicht, dann gibt es da ja immer noch die in Berlin schon regierungserprobte Linkspartei.

Die Koalition aus Protest gegen die fortgesetzte Düpierung durch die SPD zu beenden, hieße für die CDU, sich wieder längerfristig in die Opposition zu verabschieden, die sie doch erst 2011 nach zehn Jahren verlassen hatte. Um die Partei derart zu verletzen, dass sie nach gut zwei Jahren schon wieder aufs Regieren verzichtet, dafür muss schon mehr passieren als ein geplatzter Terminplan für die Räumung des Oranienplatzes.

Umso mehr, weil Wowereit inhaltlich gar nicht so weit weg klang von Henkels Das-kann-so-nicht-weitergehen-am-O-Platz. Wenn die CDU bei seiner Pressekonferenz genau hingehört hat, dann war da von viel Verständnis für die Kritik an der Platzbesetzung und von „unhaltbaren Zuständen“ die Rede.

Wowereits Reingrätschen hatte genau zwei und rein strategische Gründe: um den Besetzern noch eine Chance zu bieten, um dann bei einer Räumung die Hände in Unschuld waschen zu können. Und zugleich um zu zeigen, wo bei Rot-Schwarz der Hammer hängt – und das muss ein kleinerer Koalitionspartner angesichts fehlender Alternativen schlicht akzeptieren.

STEFAN ALBERTI