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Archiv-Artikel

Leservorwurf

Lust an der Provokation

Immer wieder habe ich den Eindruck, dass es gar keine Redaktion gibt, die kritisch prüft, ob ein Artikel in die taz kommt oder nicht. Wie anders ist zu erklären, dass der Text „Sitzt eine Blondine“ vom 8. 1. 14 gedruckt wird? Eine mehr oder weniger unbekannte NGO will Intoleranz, Rassismus und Frauenfeindlichkeit verbieten lassen (wie auch immer sie sich dieses Verbot vorstellt), und diese beinahe Nichtnachricht ist für Simone Schmollack Anlass, als „Freiheitskämpferin“ zehn frauenfeindliche Witze zu bringen. Es ist einfach nicht zu fassen! Es gibt keinen, aber auch gar keinen Grund, solche Witze abzudrucken, außer einer infantilen Lust an der Provokation. MATTHIAS GLIENICKE, Wiesbaden

Die taz antwortet

Darüber zu lachen, kann befreiend sein

Lieber Herr Glienicke,

über Humor kann man streiten. Über frauenfeindliche Witze auch. Ebenso über die Idee des Europäischen Rates für Toleranz und Versöhnung, solche Witze zu verbieten. Vermutlich finden Sie frauenfeindliche, sexistische und andere diskriminierende Witze geschmacklos. Wir meistens auch. Wir lachen trotzdem (oder vielleicht gerade deswegen) über sie, häufig zumindest. Witze behandeln gesellschaftliche, politische und individuelle Probleme auf eine besondere Weise: distanziert und trotzdem nah dran, bestenfalls auf der Metaebene, also wenn dabei auch noch „um die Ecke“ gedacht wird. Das macht einen guten Witz aus. Das heißt nicht, dass diejenigen, die ihn erzählen, und diejenigen, die darüber lachen, das Problem und das (meist) witzige Lösungsangebot tolerieren. Im Gegenteil: Häufig fühlt man sich durch den Witz bestätigt in seiner Problemsicht. Darüber zu lachen kann sehr befreiend sein. Übrigens: Am meisten lachen über frauenfeindliche Witze bekanntlich Frauen. SIMONE SCHMOLLACK, Redakteurin Inland, zuständig vor allem für Geschlechterpolitik