: Das Montagsinterview„Jedes Lebewesen ist intelligenter“
Ein Computer kann nie so gut sein wie ein Kind, solange er keinen Körper hat, sagt Roboter-Forscher Thomas RöferMENSCH ODER MASCHINE Deutschland ist wieder Fußball-Weltmeister geworden – mit humanoiden Robotern. Ein Gespräch mit dem Teamchef Thomas Röfer über Künstliche Intelligenz, seine fußballerische Vision für das Jahr 2050, die Schlichtheit des Schachspiels und den so genannten gesunden Menschenverstand
■ ist promovierter Informatiker und arbeitet beim Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Bremen, Fachbereich „Sichere Kognitive Systeme“. Zugleich ist er Teamchef von „B-Human“ (www.b-human.de). Die Mannschaft verteidigte kürzlich in Singapur gegen 23 Teams aus 17 Ländern den Weltmeister-Titel der humanoiden Fußball-Roboter. Ihr Finalgegner war Australien, das Spiel endete 6:1. Foto: Jan Zier
INTERVIEW JAN ZIER
taz: Herr Röfer, herzlichen Glückwunsch! Sie sind gerade erneut Fußball-Weltmeister geworden …
Thomas Röfer: Danke.
… und zwar mit den humanoiden Fußball-Robotern. Woher kommt die deutsche Dominanz in diesem „Sport“?
Es gab 2001 bis 2006 ein Schwerpunkt-Programm der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für den Roboter-Fußball. Da ist eine Menge Kompetenz entstanden. Dieses Jahr haben wir im Grunde alles gewonnen, wo es um Roboter geht, die auf zwei Beinen spielen.
Warum braucht die Welt überhaupt Roboter-Fußball?
Die Welt braucht ihn nicht, vielleicht auch keinen Fußball. Die Frage ist natürlich auch, ob sie Roboter braucht. Wenn man das bejaht – zumindest für Aufgaben, die wir Menschen nicht mehr machen wollen – dann geht es geht darum, die nötigen Techniken zu entwickeln und sie vergleichbar zu machen. Ohne so einen Wettbewerb weiß man nie so genau, wie gut der eigene Roboter wirklich ist. Aber das Ziel ist natürlich nicht nur, irgendwann supergut Fußball spielende Roboter zu bauen.
Offiziell wurde aber das Ziel ausgegeben, bis 2050 den Fußball-Weltmeister der Menschen mit Robotern zu schlagen.
Das kann ich mir auch vorstellen.
Im Moment sind sie noch sehr linkisch und unbeholfen.
Wir sind erst am Anfang einer Entwicklung. Aber als die ersten Düsentriebwerke entwickelt wurden, hat auch niemand geglaubt, dass man 50 Jahre danach auf dem Mond landen würde.
Worum geht es Ihnen, wenn nicht um künstliche Super-Fußballer?
Es geht um die Seiteneffekte, um Technologien, die man auch anderswo einsetzen kann.
Ist das wie mit der Formel 1, wo davon die Rede ist, hier werde Großserientechnik erprobt, man aber den Eindruck hat: Das ist ein Vorwand?
Ich kann das für die Formel 1 nicht beurteilen. Aber wir entwickeln hier auch den autonomen Rollstuhl, in dem viel Technologie des Roboter-Fußballs steckt. Die Software-Architektur – das Zusammenspiel der verschiedenen Komponenten – ist die gleiche. Auch die Technik, die dazu dient, zu erkennen, wo der Roboter gerade ist, funktioniert ähnlich. Außerdem lernt man von Robotern viel über Robustheit.
Ist Roboterfußball nicht doch in erster Linie eine Spielerei?
Nein – es geht ja auch um die Ausbildung der Studenten. Dort lernen sie, im Team bis zum einem bestimmten Zeitpunkt Software zu entwickeln, die besser ist als die der anderen. Dass es nebenbei auch um Fußball geht, ist vielen Studenten eher egal.
Ihren Erfolg im Fußball würde man eher in Japan vermuten, wo Roboter schon eine viele größere Rolle spielen.
In Japan werden sehr gute Roboter gebaut. Aber dort ist der Fußball nicht so verbreitet. Wobei das momentan noch zwei paar Schuhe sind. Ich zum Beispiel interessiere mich nicht so sehr für Fußball. Aber derzeit ist das noch kein großes Problem. Wir sind noch in einem Stadium, wo es darum geht, dass die Roboter stabil laufen, genau wissen, wo sie auf dem Feld stehen und präzise schießen. Taktik spielt noch keine große Rolle, zumal wir mit den Humanoiden nur mit drei Spielern spielen, einer davon steht im Tor.
Einer ihrer Kollegen sagte: Die meisten japanischen Roboter-Forscher haben sich nie von ihren Kindheitsvisionen verabschiedet. Hat er recht?
Ich kenne nur wenige. Aber es kann gut sein. Es gibt einen Japaner, der seine Frau nachgebaut hat. Das ist schon seltsam. Es gibt keinen Grund, warum Roboter aussehen sollten wie Menschen. Es reicht, wenn sie die allgemeinen Proportionen von Menschen haben, damit sie sich in unserer Welt bewegen können. Es sei denn, sie sollen etwa spionieren.
Apropos: Wer sich sicher für die Fortschritte in der Robotik interessiert, ist das Militär. Ist das ein Problem für Sie?
Nicht konkret. Die Uni Bremen hat sich ja verpflichtet, keine Rüstungsforschung zu machen. Das ist gut so. Die militärische Anwendung wäre nur sehr indirekt möglich. Mir ist bei uns auch kein Fall bekannt, den man als grenzwertig einstufen muss.
Was ist für Sie überhaupt die KI, die Künstliche Intelligenz?
Erst einmal ist es die falsche Übersetzung eines englischen Begriffs. „Intelligence“ meint ja auch Information. Es geht darum, auf künstliche Art Informationen zu beschaffen und bestimmte Aufgaben zu erledigen. Das ist noch sehr konkret. Diese Roboter entwickeln keine neuen, eigenständigen Fähigkeiten, die sie sonst nicht haben.
Marvin Minsky, Begründer und Vordenker der KI-Forschung, soll gesagt haben: „Wenn wir Glück haben, behalten uns die Roboter als Haustiere.“
Minsky sagt viel. Aber er hat nie etwas gemacht, was annähernd solche Befürchtungen aufkommen lassen könnte.
Zugleich ist Minsky aber auch sehr enttäuscht davon, wie wenig in den letzten 50 Jahre der KI-Forschung erreicht wurde.
Früher hatte man auch die Vision, dass man innerhalb von fünf Jahren Computer bauen könnte, die so intelligent sind, wie ein ein- bis zweijähriges Kind. Die haben wir heute noch nicht. Ein Computer kann auch nie so gut sein wie ein Kind, solange er keinen Körper hat. Man hat die Komplexität der Probleme gravierend unterschätzt. Heute ist man sehr viel bescheidener in den Zielen. Dafür sind sie realistischer. Lebewesen sind im Vergleich zur Technik viel leistungsfähiger als man früher dachte.
Lange Zeit sah die KI-Forschung Schach als den Inbegriff von Intelligenz.
Seit 1997 sind Computer besser als der weltbeste Schachspieler. Aber da geht es im Grunde um eine sehr künstliche Angelegenheit, das ist in erster Linie von Rechenleistung abhängig. Etwas so Alltägliches wie dieses Gespräch ist viel komplexer.
Halten Sie es für denkbar, dass Roboter einen „gesunden Menschenverstand“ haben können?
Schwierige Frage. Momentan hat man noch gar nicht verstanden, was das genau ist.
Sind Roboter lernfähig?
Unsere im Moment nicht. Menschliches Lernen dauert ja auch vergleichsweise lange. Es gibt beim Roboter nur Optimierungstechniken. Je enger die Aufgabe gefasst ist, desto einfacher geht das. Und umgekehrt. Beim Lernen geht es ja auch um das Bewerten. Dafür muss man die Gründe für Erfolg und Scheitern mit berücksichtigen können. Das können die Roboter aber nicht. Wenn ihm Fehler passieren, sehen wir zwar: Das ist Blödsinn. Aber ein Roboter kann das aus seiner Perspektive und mit seiner eingeschränkten Sensorik nicht ohne Weiteres erkennen.
Was kann man in der Robotik über menschliche Intelligenz lernen?
Das sie sehr groß ist. Jedes Lebewesen ist intelligenter als unsere heutigen Roboter.
Können sich die Roboter untereinander verständigen?
Ja. Sie können sich abstimmen. Wenn der eine nicht weiß, wo der Ball ist, sagt ihm das der andere. Allerdings kann es aus der Entfernung für einen anderen Roboter schon schwierig sein, zu beurteilen, ob der Fall hinter oder vor seinem Mitspieler liegt. Das ist ein echtes Problem.
Anders als bei den Menschen.
Da sind die technischen Systeme noch zu unpräzise. Und der Humanoide muss ja auch immer alle Technik mit sich herumschleppen. Sie sind im Spiel autonom. Wenn es beginnt, kann der Programmierer nur noch daneben sitzen und zugucken.
Warum machen Sie das, wo sie Fußball doch kalt lässt?
Ich kam über die Lehre dazu. Wenn man mal damit angefangen hat, lässt es einen so richtig nicht wieder los. Auch von den Studenten arbeiten einige noch an dem Projekt, obwohl sie im Grunde schon fertig sind.
Was kostet so ein Roboter?
Wir bekommen vier Stück von denen für 12.000 Euro plus Steuer. Das ist sehr günstig.
Was sagen sie denen, die finden, für das Geld könnte man auch was Sinnvolles kaufen?
Die Roboter finanzieren wir heute zum guten Teil selbst, indem wir etwa Shows auf Messen machen. Wir haben auch Sponsoren. Zu Zeiten des DFG-Schwerpunktprogramms war das natürlich noch anders.
Sehen ihre berufliche Zukunft als Roboterfußball-Forscher?
Es wird immer was mit mobilen Robotern zu tun haben. Da bewegt sich was. Aber es muss nicht nur Fußball sein.
Gibt es überhaupt Sportarten, die sie interessieren?
Nein. Die Idee, anderen dabei zuzugucken, die reizt mich nicht.