AMERICAN PIE
: Einsamer Mann

BASEBALL Alex Rodríguez führt den bizarren Kampf gegen seine Dopingsperre weiter, auch wenn die Beweise erdrückend sind

Selten zuvor wurde so detailliert dargelegt, wie ein Spitzensportler systematisch betrügt

Alex Rodríguez ist ein Mann der Superlative. Er hat einen Sack voller Ehrungen und Rekorde eingefahren. Er hat nicht nur den am besten dotierten Vertrag in der Geschichte des nordamerikanischen Sports bekommen, sondern auch den am zweitbesten dotierten. Und er hat die längste Dopingsperre in der Geschichte des Baseball kassiert.

Nun hat ein Schiedsgericht der Major League Baseball (MLB) verfügt: Rodríguez’ Sperre wird von 211 auf 162 Spiele reduziert. Das bedeutet für den 38-Jährigen, dass er die komplette kommende Saison, die Ende März beginnt, aussetzen und auf 22 Millionen Dollar Gehalt verzichten muss. Auch wenn die New York Yankees, bei denen Rodríguez unter Vertrag steht, die Playoffs erreichen, darf er nicht spielen. Der zuständige Richter, Fredric Horowitz, rechtfertigte die für Baseball exorbitant lange Sperre mit den „ungeheuerlichsten Verletzungen gegen die Antidopingbestimmungen, die bisher bekannt geworden sind“.

Die seit Monaten andauernde juristische Auseinandersetzung und die sie begleitende Schlammschlacht in den Medien ist damit aber noch nicht beendet. Der „Claudia Pechstein des Baseball“ weist weiterhin alle Vorwürfe von sich. Am Montag verklagten Rodríguez’ Anwälte vor einem Bundesgericht nicht nur die MLB, sondern gleich auch noch die Spielergewerkschaft, die den gefallenen Star nicht ausreichend unterstützt habe.

Die MLB ging ihrerseits in die Offensive und veröffentlichte ebenfalls am Montag ein 34-seitiges Papier mit den Ergebnissen ihrer Untersuchung von Rodríguez’ Dopingpraktiken. Überdies durfte sich Anthony Bosch, der einstige Chef der berüchtigten Dopingklinik Biogenesis und Hauptbelastungszeuge, erstmals ausführlich in einem Fernsehinterview äußern. Selten zuvor wurde so detailreich dargelegt, wie ein Spitzensportler systematisch betrügt. Jeden Morgen cremte sich Rodríguez mit einer Spezialsalbe ein, an den Abenden benutzte er eine Testosteron-Creme. An Montagen schluckte Rodríguez Energie-Cocktails, an Freitagen Therapie-Cocktails. Bei Bedarf lutschte er vor Spielen noch einmal Testosteron-Pastillen. Das von Bosch organisierte Dopingregime, für das der Dealer 12.000 Dollar monatlich von Rodríguez erhalten haben will, ist bis auf die Kommastelle hinter den Gramm-Einheiten von verschiedenen Wachstumshormonen, Steroiden oder dem Fruchtbarkeitsmittel Clomifen dokumentiert. Rodríguez, der mit 32 Jahren als jüngster Spieler 500 Homeruns geschlagen hatte, behauptete Bosch, sei davon besessen gewesen, als erster die 800-Homerun-Marke zu knacken. Bosch kann die Anschuldigen mit Telefonanrufen und SMS von Rodríguez stützen. Allein aus dem Jahr 2012 sollen 556 SMS vorliegen. Später habe Rodríguez von ihm verlangt, so Bosch, diese Nachrichten zu löschen und ihm weiteres Geld geboten, wenn er sich nach Kolumbien absetzt, anstatt vor Gericht auszusagen. „Was Rodríguez getan hat, ist unbegreiflich“, kommentierte MLB-Boss Bud Selig, „ich denke, selbst die 211 Spiele Sperre waren schon eine ziemlich faire Bestrafung.“

Rodríguez sieht das naturgemäß anders. In einem Statement teilte er mit, dass die Sperre „keine Überraschung“ für ihn sei, weil das Schiedsgericht „nicht fair und unparteiisch“ agiert habe. Er weist wieder einmal darauf hin, dass er niemals positiv getestet worden sei, und behauptet, dass „Aussagen und Dokumente so falsch und unseriös sind, dass sie vor keinem anderen Gericht der USA erlaubt worden wären“.

Wie verzweifelt der ehemalige Sonnyboy wirklich ist, offenbart er mit dem Entschluss, sich nun auch noch mit der Gewerkschaft anzulegen. Die hat lange eine eher unrühmliche Rolle gespielt, wenn es um die Aufklärung von Dopingfällen ging und ihre Mitglieder, auch Rodríguez, mit allen Mitteln verteidigt. Nun kapitulierte aber auch die MLB Players Association (MLBPA) vor den Beweisen und hält die Gegenangriffe von Rodríguez für „hanebüchen“. Der Mann der Superlative wird nun auch zum einsamsten Mann im Baseball. THOMAS WINKLER