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Archiv-Artikel

Der Unsichtbare

Er ist ein Synonym für Unauffälligkeit, sein Tun ist schnörkellos, sicher, kühl: Der 28-jährige Fernando Meira vom VfB Stuttgart ist die defensive Konstante in Portugals unbeständiger Mannschaft

VON BERND MÜLLENDER

„Dies ist die beste Generation des portugiesischen Fußballs, die es jemals gegeben hat“, sagte Portugals Trainer Luiz Felipe Scolari nach dem Elfmetersieg gegen die Briten. Der Coach benutzte die Vokabel „Generation“ bewusst: Bis 2004 ließ sich die damalige Elf „die goldene Generation“ nennen – aber die hochbegabten Künstler Couto, Costa, Sousa, Figo & Co hatten die großen Versprechen nie einlösen können.

Portugal ist eine Sphinx, die kurzfristig Stars aufleuchten lässt, die im nächsten Moment wieder verglühen. In der Vorrunde hatte das zweifache Generationenmitglied Luis Figo, 33, ein paar überraschend tolle Szenen, gegen England wirkte er zuletzt müde. Torhüter Ricardo lässt sich nach den drei gehaltenen Elfmetern als Weltklasse feiern, dabei ist er allenfalls guter Durchschnitt. Maniche wurde nach seinem Tor gegen Holland als Comebacker hoch gelobt, gegen England hatte er wahrscheinlich Nackenschmerzen vor lauter Kopfschütteln über ein halbes Dutzend verzogener Fernschüsse.

Vor zehn Tagen noch wäre Portugal Favorit gegen Frankreich gewesen. Seit Zizou und seine Mitspieler in den Jungbrunnen gefallen sind, ist das umgekehrt. Dennoch gibt es in dieser Elf der Konjunktive eine Konstante: Fernando Meira. Der Abwehrmann des VfB Stuttgart ist ein Synonym für Unauffälligkeit. Schnörkellos sein Tun, unaufgeregt, sicher, kühl. Er ist die halbe Wand der Portugiesen, zusammen mit Ricardo Carvalho vom FC Chelsea. Man sitzt auf der Tribüne, beobachtet die Ballstafetten der Portugiesen und übersieht ihn. Man sieht die Engländer angreifen und denkt, wer ist eigentlich Portugals lange Nr. 5: Ach ja, klar, Meira. Nun sind Innenverteidiger nicht die Typen für die großen Geschichten. Ihr Job ist es, andere daran zu hindern, große Geschichte zu schreiben. Meira, der die Spielhälften jeweils nur aus einer Halbzeit kennt, tut das in Reinkultur. Der 28-Jährige hat eine solide WM gespielt, gegen England war er fehlerlos. Seine Unauffälligkeit setzt sich abseits des Platzes fort. Interviews mit ihm sind so spannend wie die Lesung des Telefonbuchs. Meira sagt über Portugals Elf Sätze wie: „Das Geheimnis unseres Erfolges ist die Freundschaft in der Gruppe. Es ist wirklich wie eine große Familie.“ Und zum Halbfinale: „Brasilien wäre schwierig gewesen, Frankreich ist schwierig. Aber wir glauben fest an unsere Fähigkeiten.“ Fernando Meira hat eine düstere, schwer lesbare Homepage, ohne jeden Schnickschnack. Dort offenbart er die Liebe zu seiner eigenen Familie, ansonsten zu Handys, Soul und zum Expapst, er wäre gerne mal Bono, entspannt sich beim Billard und nennt Wasser sein Lieblingsgetränk.

35 Spiele hat Meira für die Selecção gemacht (zwei Tore), seit vier Jahren ist er beim VfB Stuttgart. Dort begleiteten in der ersten Saison kapitale Fehler sein Tun. Ein Fehleinkauf, unkten die Fans, diese lahme Gurke soll Nationalspieler Portugals sein? Vor allem empörten sie sich über die 7,5 Millionen Euro Ablöse an Benfica Lissabon. Der damalige Manager Rolf Rüssmann sagte nach Vertragsunterzeichnung trotzdem: „Für mich ist heute Bescherung.“ Wörtlich soll das nicht gemeint gewesen sein. Denn erst später stellte sich heraus, laut Stuttgarter Zeitung, „dass Meira dem Verein ein halbes Jahr zuvor noch für 7,5 Millionen Mark angeboten wurde“.

Jetzt teilte Fernando Meira mit, er habe sich mit Thomas Hitzelsberger und Timo Hildebrand, die DFB-Bankdrücker vom VfB, vorsorglich schon zum Finale verabredet. Am liebsten in Berlin und nicht um Platz 3, daheim in Stuttgart.