: „Gesetzliche Grundlage fehlt“
GRUNDRECHTE JuristInnen diskutieren die wackelige Basis, auf der die Polizei Gefahrengebiete ausweist
■ ist Juniorprofessorin für Öffentliches Recht und Legal Gender Studies an der Universität Hamburg. Ihr Alter verschweigt sie aus Prinzip.
taz: Frau Lembke, was genau ist ein Gefahrengebiet?
Ulrike Lembke: Das wüssten wir auch gerne. Das Problem in Hamburg ist, dass wir eine gesetzliche Regelung haben, die nichts sagt: Paragraf 4 des Polizeidatenverarbeitungsgesetzes sagt nur, dass die Polizei in bestimmten Gebieten verdachtsunabhängige Kontrollen durchführen kann, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass schwere Straftaten drohen.
Wer darf so ein Gefahrengebiet festlegen?
Darüber steht nichts in dem Paragrafen.
Und wie es aufgehoben wird?
Auch nicht. Hamburg hat eine Norm, die davon ausgeht, dass es Gefahrengebiete gibt, hat aber keine Norm, die erklärt, unter welchen Umständen, wo und wie lange die Polizei Gefahrengebiete ausweisen darf. Das Mysterium in Hamburg ist, dass wir keine gesetzliche Grundlage haben.
Kann ich gegen ein Gefahrengebiet klagen?
Das ist aufgrund der unklaren Regelungen schwierig. Im Verwaltungsrecht gibt es verschiedene Formen, in denen die Polizei handeln kann. Danach muss sich die Klage richten. Es spricht viel dafür, dass die Festlegung eines Gefahrengebietes ein Verwaltungsakt ist. Die Polizei ist der Ansicht, dass es sich um einen internen Verwaltungsvorgang handelt – und gegen den ist eine Klage deutlich schwieriger. Es gibt aber die Möglichkeit der sogenannten Feststellungsklage. Damit kann ich feststellen lassen, dass die Polizei nicht berechtigt war, mich zu kontrollieren.
Was darf die Polizei außerhalb von Gefahrengebieten?
Sie darf die Identität feststellen zur Abwehr einer konkreten Gefahr.
Ich muss also meinen Personalausweis bei mir haben?
Nein. Wenn man keine Gefahr verursacht, sollte einen die Polizei nicht kontrollieren. Wenn man den Ausweis nicht dabei hat, kann es aber nervig werden. Allerdings gibt es bereits Regelungen in Deutschland – darauf verweist unser Innensenator –, die auch verdachtsunabhängige Kontrollen rechtfertigen, zum Beispiel durch die Bundespolizei an Bahnhöfen. Das Polizeirecht verändert sich gerade insgesamt weg von einer konkreten Gefahrenabwehr hin zur Vorsorge. Eine gefährliche Situation soll gar nicht erst entstehen. INTERVIEW: KNÖ
Diskussion mit Ulrike Lembke, Cornelia Ganten-Lange (Rechtsanwältin), Tina Winter (Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen Hamburg) und Christian Ernst (Bucerius Law School): 19.30 Uhr, Rechtshaus-Hörsaal, Rothenbaumchaussee 33