: In schlechter Verfassung
Das geplante Verfassungsschutzgesetz verstößt gegen die Verfassung, sagen Bürgerrechtler: FDP und CDU planen eines der bundesweit schärfsten Gesetze
VON SEBASTIAN HEISER
Kritiker warnen vor den geplanten Änderungen des Verfassungsschutzgesetzes. „Wenn das so durch den Landtag kommt, dann erhält Nordrhein-Westfalen eines der schärfsten Verfassungsschutzgesetze bundesweit“, sagte der stellvertretende Bundesvorsitzende der Humanistischen Union, Fredrik Roggan, zur taz. Es ignoriere darin Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes und entziehe den Geheimdienst ein weiteres Stück aus der parlamentarischen Kontrolle. „Für die Bürgerrechte ist das ein klarer Rückschritt.“ Auch die Landesdatenschutzbeauftragte Bettina Sokol mahnt an, mit dem geplanten Gesetz nicht die Vorgaben der Verfassung zu sprengen.
Mit diesem Verfassungsschutzgesetz gehört Nord-rhein-Westfalen bundesweit zu den Vorreitern in der Einschränkung von Bürgerrechten. Dies gilt zum Beispiel für den Einsatz der Satellitenüberwachung GPS. Die Gesetzesänderung erlaubt bei verfassungsfeindlichen Bestrebungen mit „erheblicher Bedeutung“, dass die Beamten ein GPS-Gerät verdeckt an einem Auto anbringen und dadurch Personen verfolgen. Bereits jetzt ist NRW schon führend im Einsatz des so genannten IMSI-Catchers, der die Handy-Nummer einer Person identifizieren kann. Dessen Einsatz ist bereits seit einer Gesetzesänderung im Jahr 2002 erlaubt.
Nach den Terroranschlägen in New York und Washington hatte das Land seinem Verfassungsschutz neue Ermittlungsmethoden erlaubt: Beim Einsatz gegen ausländische Terroristen dürfen die Beamten auch Informationen von Banken über die Geldflüsse auf den Konten von Verdächtigen einholen, die Fluggesellschaften müssen Passagierdaten herausrücken. Mit dem neuen Gesetz sollen diese Befugnisse nun auch auf inländische Netzwerke ausgeweitet werden. Zur Begründung heißt es aus dem Innenministerium von Ingo Wolf (FDP), die Terroranschläge von London und Madrid hätten gezeigt, dass auch im Inland islamistische Terrorgruppen entstehen könnten. Doch die neuen Überwachungsmethoden sollen nicht nur für moslimische Terroristen gelten, sondern auch für Links- und Rechtsextremisten. „Spektakuläre Fälle werden als Begründung genannt und durch die Hintertür erstreckt sich die Gesetzesänderung dann noch auf ganz andere Bereiche“, sagt der Bürgerrechtler Roggan.
Die Landesdatenschützerin Sokol kritisierte unter anderem, dass der „Kernbereich privater Lebensgestaltung“ nicht ausreichend geschützt sei. Das Bundesverfassungsgericht hatte im März 2004 und in mehreren folgenden Urteilen entschieden, dass der Staat niemals in diesen Kernbereich der Privatsphäre eindringen dürfe. Sobald zum Beispiel während des Abhörens eines Wohnzimmers dort ein Ehepaar beginnt, Beziehungsprobleme zu diskutieren, müssen die Mikrofone der Beamten ausgeschaltet werden. Das Innenministerium hatte argumentiert, die Vorgaben aus Karlsruhe würden im Gesetz noch nicht umgesetzt, denn es sei noch unklar, wie „eine rechtlich und technisch praktikable Regelung formuliert werden könnte“. Man werde sich aber dennoch beim Einsatz der Überwachung an das Urteil aus Karlsruhe halten. Nach Ansicht der Datenschützerin können die grundsätzlichen Bedenken durch diese Zusage jedoch nicht ausgeräumt werden. Sie empfiehlt, „die offensichtlich verfassungswidrige Regelung“ zu streichen. Der Schutz der Intimsphäre müsse zudem nicht nur beim Abhören von Gesprächen mit Mikrofonen gelten, sondern auch beim Einsatz von V-Männern oder der Beobachtung des Internets.