piwik no script img

Archiv-Artikel

Kein Geld für glückliche Kühe

Schleswig-Holstein steuert um: Wurde unter Rot-Grün die alternative Landwirtschaft gefördert, sollen nun die konventionellen Großbetriebe von den EU-Subventionen profitieren. Grüne und BUND halten das für keine gute Idee

von ESTHER GEIßLINGER

Es geht um Millionenbeträge. Und um Kuhweiden. „Immer mehr Grünland wird umbrochen, um Mais anzubauen“, fürchtet Michael Ott vom Landesnaturschutzverband. „Und die Touristen fahren am Ende nach Bayern, um mal eine Kuh auf der Weide zu sehen.“ Auch Carola Ketelholdt, Geschäftsführerin des Bioland-Landesverbandes für Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern, ahnt Schlimmes: „Wir befürchten massiv, dass es keine neuen Ökobetriebe mehr geben wird.“ Ein Höfesterben sei zu erwarten, damit gingen zahlreiche Arbeitsplätze verloren.

Hintergrund dieser Sorgen sind die Pläne des Landwirtschaftsministeriums in Kiel für die kommende EU-Förderperiode, die 2007 beginnt (siehe Kasten). Einer der größten Fördertöpfe für Schleswig-Holstein mit einem Gesamtvolumen von rund 500 Millionen Euro betrifft die Landwirtschaft. Ein Großteil der Mittel fließt direkt an die Bauern. Zwischen 100 und 1000 Euro kassiere ein Landwirt pro Hektar, sagt Karl-Martin Hentschel, Fraktionschef der Grünen im Landtag. Die grüne Fraktion hat mit Bioland und dem BUND ein alternatives Konzept entwickelt. Denn das heutige System belohnt die, die pro Hektar viel erzeugen: Für Mastschweine oder Mais gibt es mehr als für eine Kuhweide oder einen ökologisch bewirtschafteten Rübenacker. „Dabei ist gesellschaftlich gewollt, was unsere Bauern machen“, sagt Ketelholdt. „In anderen Ländern wird der Ökolandbau hoch gefördert.“ Im Wettbewerb haben die deutschen Biolandwirte darum das Nachsehen – obwohl die Verbraucher immer mehr Öko kaufen.

Damit die Länder flexibler eigene Schwerpunkte setzen können, erlaubt die EU in ihren neuen Richtlinien, Geld aus der Direktförderung herauszunehmen und in eine allgemeine Förderung „für den ländlichen Raum“ zu stecken. Bis zu 20 Prozent ließen sich aus einem Fördertopf in den anderen verschieben. „Unter dem Druck des Bauernverbandes verzichtet das Land darauf“, kritisiert Hentschel. Die Grünen und die Umweltverbände schlagen vor, die flexiblen Fördermöglichkeiten auszuschöpfen. Das Geld könnte einzelnen Ökobauern helfen, aber auch vieles andere ermöglichen, was das Leben auf dem Land schöner macht – oder für Touristen attraktiver. Nur diese allgemeine „Förderung für den ländlichen Raum“ könne als Begründung für die hohen Subventionen herhalten, die aus den EU-Töpfen in die Landwirtschaft fließen, meint Ina Walenda vom BUND.

Das Kieler Landwirtschaftsministerium bleibt aber dabei: Der Löwenanteil des Geldes soll direkt in die Taschen der Landwirte fließen. Der wichtigste Grund ist, dass die EU die Bauern-Beihilfen mittelfristig ganz abschaffen will. „Wir wollen sozusagen ein letztes Mal helfen und die Betriebe technisch auf einen Stand bringen, in dem sie in Zukunft ohne Fördermittel überleben können“, sagt Christian Seyfert, Sprecher des Landwirtschaftsministeriums. Daher werde „ein deutlicher Akzent bei der Agrarinvestition gesetzt“ – Bauern können für Maschinen oder neue Ställe EU-Geld beantragen. Diese Linie verfolgen auch die Nachbarländer wie Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen.

Für den Bio-Landbau gebe das Land sogar mehr Geld aus, sagt Seyfert. Das allerdings liegt an den bestehenden Verträgen, die noch unter Rot-Grün ausgehandelt worden sind. Damals haben viele Landwirte auf Ökoproduktion umgestellt – eine Entwicklung, die so nicht mehr gewollt wird. „Die Umstellungsprämie für konventionelle Bauern wird es nicht mehr geben“, sagt Seyfert.

Während der Norden auf die großen Höfe und eine Beschleunigung des Strukturwandels setzt, wollen einige Länder im Süden Deutschlands die Möglichkeit in Anspruch nehmen, Fördermittel für den ländlichen Raum abzuzweigen. Denn Bergbauern mit kleinen Flächen brauchen die Förderprogramme – damit sie ihre Kühe auf Almwiesen grasen lassen können. Die Touristen wird das freuen.