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Archiv-Artikel

„Das war kein Patriotismus, sondern Fantum“

Auch die Kreuzberger Band Wir sind Helden – sonst bekannt für linke, kritische Aussagen – hat sich von der WM-Hysterie in Schwarz-Rot-Gold anstecken lassen. Heute Abend spielen sie auf der Fanmeile beim WM-Abschlusskonzert der Fifa. Schlagzeuger Pola Roy über Fans, Fahnen und Zinedine Zidane

Interview Jan Sternberg

taz: Herr Roy, man kann sich Wir sind Helden – eine Kreuzberger Band – schwerlich in Deutschlandfahne gehüllt im Stadion vorstellen. Wie haben die Helden die WM erlebt?

Pola Roy: Wir waren am Dienstag im Westfalenstadion. Wir haben wahnsinnig mitgefiebert und die Niederlage gesehen – und sind immer noch etwas geknickt. Aber jetzt sind wir alle für Frankreich.

Ihre Mutter ist Französin, Ihr Vater hat eine französische Mutter. Da liegt das ja schon nahe.

Aber es hat da schon schwierige Situationen in unserer Familie gegeben. Beim WM-Halbfinale 1982 [Deutschland gewinnt in der „Nacht von Sevilla“ 8:7 nach Elfmeterschießen, d. Red.] war ich sieben Jahre alt und für Deutschland. Ich war sehr verletzt, dass meine Mutter für Frankreich war. Aber jetzt freue ich mich für meine Mutter.

Und für Zinedine Zidane.

Ja, natürlich! Aber das ist jetzt ja schon ein Allgemeinplatz.

Wie hat die Band den Schwarz-Rot-Gold-Patriotismus erlebt?

Ich war von der Stimmung während der WM doch sehr begeistert. Ich hätte vorher nicht gedacht, dass das so verbindend vonstatten geht. Zumindest in Kreuzberg war es sehr friedlich und multikulturell. Und die Fahnen – ich hatte das Gefühl, dass es gar nicht um Patriotismus oder auch nur Partyotismus geht. Das ist allgemeines Fantum, von dem sich die Leute haben mitreißen lassen. Das hat eine gewisse Unschuld, ist ein ganz reines Gefühl. Man sollte das auch nicht durch so viele Diskussionen im Nachhinein verderben. Dass Deutschland Probleme mit Patriotismus hat – und das zu Recht –, steht auf einem ganz anderen Blatt.

Die Fifa-Show heute Abend trägt den Titel „Fußball für eine bessere Welt – von Deutschland nach Südafrika“. Ist das nicht anmaßend?

Der Titel kommt ja nicht von uns. Natürlich ist er ein bisschen anmaßend, aber vielleicht auch gar nicht so schlecht. Fußball kann ja nun wirklich jeder spielen. Da braucht man nur einen Sack dafür, aus dem man einen Ball machen kann. Bei Golf ist das anders …

Die Show ist hochkarätig besetzt und ziemlich aufwändig. Ist sie nicht eine reine Alibiveranstaltung für die Fifa und ihren umstrittenen Chef Sepp Blatter?

Wir haben im Vorfeld über diese Dinge nachgedacht. Das ist ein ähnlicher Fall wie bei Live 8 im vergangenen Jahr. Wir haben uns gefragt: Will man die unterstützen? Gibt es Sponsoren, die ihr Eigeninteresse pflegen? Aber wir konnten in beiden Fällen nichts Schlechtes finden. Immerhin geht es heute Abend ja auch darum, sechs neue SOS-Kinderdörfer aufzubauen. Und für die setzen wir uns immer schon ein.

Ihre Band scheint keine Probleme mit Fußballfans als Publikum zu haben – immerhin war Sie und die anderen Mitglieder am Dienstag ja selbst als Fans in Dortmund im Stadion.

Wir waren gerne im Stadion. Aber mit alkoholisierten nackten bierbäuchigen Fans, die „Ausziehn!“ brüllen, habe ich immer noch Schwierigkeiten.

Wer war denn Ihr persönlicher Held dieser Weltmeisterschaft?

Philipp Lahm finde ich super. Und Jürgen Klinsmann – aber das ist schon wieder ein Allgemeinplatz. Eigentlich gar nicht so einzelne Personen, sondern die Atmosphäre. Die Stimmung ist der Held.

Die Band kommt gerade aus Holland zurück, von einem Auftritt bei der niederländischen TV-Musiksendung „Top of the Pops“. Wollen die Helden jetzt Deutschpop-Europameister werden?

Nein, wir wollen die Weltherrschaft … Im Ernst: Wir haben im Ausland wieder in kleinen Clubs gespielt, das tut ganz gut. Man wird satt, wenn man nur die großen Konzerte spielt. Und viele Auftritte gibt es jetzt eh nicht mehr. Wir werden ab Oktober, November das neue Album aufnehmen. Mal sehen, wie weit wir kommen …

Danach beginnt ja die Babypause von Sängerin Judith Holofernes. Das Kind soll noch im Dezember auf die Welt kommen.

Genau. Und im nächsten Jahr gehen wir dann wieder auf Tour.