: „Wir sind keine Feinde der Freiheit“
taz: Herr Albrecht, Hessens Ministerpräsident Roland Koch ist sauer auf den hessischen Einzelhandelsverband, dem Sie vorstehen. Können Sie uns erklären, warum?
Frank Albrecht: Unser Verband will mit den Kirchen ein Bündnis gegen die Freigabe der Ladenöffnungszeiten gründen, die die CDU-Regierung im Land plant. Wir sind Arbeitgeber, aber auch die Gewerkschaften sind herzlich willkommen. Wenn uns Herr Koch wegen unseres Protests als „Feinde der Freiheit“ beschimpft, sollte er erst mal seinen Freiheitsbegriff überprüfen.
Die erweiterten Ladenöffnungszeiten sollen Jobs im siechen Einzelhandel schaffen. Warum sind Sie dagegen?
Was für New York gut ist, muss noch nicht für Wetzlar, Offenbach oder Gießen gut sein. Die Freigabe der Ladenöffnungszeiten wird auch in Hessen höchstens Arbeitsplätze verschieben: Vom Facheinzelhandel, für den sich der späte Ladenschluss nicht lohnt, hin zu Discountern, Kaufhäusern oder Möbelzentren. Die arbeiten zudem nicht so personalintensiv.
Also wird die Liberalisierung Jobs kosten?
Allein in Hessen dürften 2.000 Arbeitsplätze gefährdet sein. Wir haben bereits im vergangenen Jahr 3.000 verloren, weil die Leute zur Zeit einfach kein Geld in der Tasche haben. Betroffen sind vor allem die Kleinen: Deshalb sind längere Öffnungszeiten absolut mittelstandsfeindlich. Nur fünf bis sieben Prozent werden profitieren, die Ketten. Der große Rest, das sind allein in Hessen über 35.000 Geschäfte, wird Probleme bekommen. Einkaufen bis 20 Uhr reicht völlig aus.
2003 sind bereits die Samstagsöffnungszeiten verlängert worden. Wie hat sich das ausgewirkt?
Die Samstage sind der große Familieneinkaufstag geworden, insgesamt war das aber kein Gewinnspiel für die Händler. Wir verlieren bereits seit zehn Jahren Umsatz – und bauen Personal ab.
Während der WM gelten bereits in einigen Städten längere Öffnungszeiten, manchmal rund um die Uhr. Wie wirkt sich das aus?
Wir wollten die Welt zu Gast bei Freunden sein lassen, aber für das Gros der Händler war das ein völliger Flop. Selbst die großen Warenhäuser öffnen nur bis 22 Uhr. Und dann verkündet Wal-Mart stolz, sie hätten nachts um 3 Uhr einen Fernseher verkauft. Ansonsten ist auch da tote Hose.
Sie wollen mit dem Protest auch die Mitarbeiter schützen. Warum?
Wir haben in Hessen 150.000 Angestellte, die meisten sind Frauen. Für sie fühlen wir uns verantwortlich. Längere Arbeitszeiten wirken familienfeindlich. Zudem: Es muss noch viel an der Infrastruktur getan werden, damit die Mitarbeiter spätabends nach der Arbeit auch noch einen Bus nach Hause bekommen.
Was soll der Handel Ihrer Meinung nach tun, um wieder zu mehr Umsatz zu kommen?
Eigentlich müssten wir mehr Service bieten, damit der Kunde zufrieden nach Hause geht. Auch da hat die Freigabe genau die falschen Auswirkungen: Eine bessere Beratung beim Einkaufen ist bei den Angestellten, die um diese Zeit arbeiten, nicht zu erwarten.
INTERVIEW: KAI SCHÖNEBERG