: Presse-Einfalt im Pott
Der Druck auf die Zeitungsverleger im Ruhrgebiet wächst: Immer mehr Bürgermeister wittern eine illegale Absprache. Die Landesregierung wiegelt ab. Nun soll sich die Bundesregierung einschalten
VON BORIS R. ROSENKRANZ
Innerhalb eines Jahres schließen zwei Zeitungen insgesamt zehn Redaktionen im Ruhrgebiet; ein drittes Blatt wird sogar ganz eingestellt. Alles Zufall? Die Bürgermeister im Pott bezweifeln das. Nachdem Gelsenkirchens Stadtchef Frank Baranowski (SPD) bereits Mitte April gegenüber der taz vermutet hatte, die Zeitungsverleger würden sich das Revier aufteilen, wittern nun auch seine Kollegen eine Flurbereinigung.
Zwar müsse man die generell schlechte Lage auf dem Zeitungsmarkt berücksichtigen, sagt der Hertener Bürgermeister Ulrich Paetzel (SPD). Dennoch habe alles „den Anschein einer Absprache“. Auch die parteilose Marler Bürgermeisterin Uta Heinrich kann sich vorstellen, „dass es Absprachen gegeben hat, die ganz klar wirtschaftliche Hintergründe haben“. Zwar könne sie nichts beweisen. Auch obliege es jedem Verlag, wie er sich auf dem Markt positioniere. Den Rückzug der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) aus ihrer Stadt kann Heinrich jedoch nicht verstehen. Und Bodo Klimpel, CDU-Bürgermeister in Haltern am See, sagt: „Sollte Frank Baranowski Recht haben mit seiner Vermutung, wäre das ein Anschlag der Verlage auf die Pressefreiheit.“
Lokal-Monopol
In der Tat ist an Zufall kaum noch zu glauben. Im März hatten zunächst die Dortmunder Ruhr Nachrichten (RN) drei Lokalredaktionen geschlossen; zudem kündigte die Buersche Zeitung (BZ) in Gelsenkirchen an, im Herbst zu schließen. Die Folge: In den Städten Gladbeck, Bottrop und Gelsenkirchen erhält die WAZ ein weiteres Lokal-Monopol. Im Gegenzug gewinnen die RN und Blätter aus dem Hause des BZ-Verlegers Kurt Bauer an Boden: Vergangene Woche kündigte die WAZ an, sich aus der Lokalberichterstattung in deren Verbreitungsgebiet, dem Kreis Recklinghausen, zu verabschieden und ab 2007 nur noch einen Regionalteil zu liefern. „Das riecht nach einem Kompensationsgeschäft“, sagt auch der Dortmunder Medienexperte Horst Röper.
Die schwarz-gelbe Landesregierung sieht der Pressekonzentration im Pott bislang tatenlos zu. Der scheidende NRW-Medienstaatssekretär Thomas Kemper hält nur Phrasen parat zur Entwicklung auf dem NRW-Zeitungsmarkt: Schließungen, zumal bei Lokalzeitungen, so Kemper zur taz, seinen stets bedauernswert. Doch handle es sich um eine unternehmerische Entscheidung, weshalb die Landesregierung dazu nicht weiter Stellung nehmen werde. Mehr war auch nicht zu erwarten.
Beharrliches Schweigen
Kempers Nachfolger, der Jurist Andreas Krautscheid (CDU), übernimmt das Amt erst Anfang September. Bis dahin möchte er sich zum Thema noch nicht äußern. Nur so viel: Er verfolge die Entwicklung und werde sich ihrer auf jeden Fall annehmen, sagte Krautscheid gestern der taz. Bis es soweit ist, macht nur die Opposition Druck: Die SPD-Fraktion im Landtag hat in einer Großen Anfrage die Landesregierung aufgefordert, sich mit dem Zeitungsmarkt zu befassen. Und die Bundestagsfraktion der Linkspartei will mittels einer Anfrage geklärt wissen, wie die Bundesregierung zur Pressekonzentration in NRW steht. „Die schon bestehenden Verbindungen der Verlage über gemeinsame Gesellschaften und Beteiligungen sind ein starker Hinweis auf Absprachen“, so die Linkspartei-Abgeordnete Ulla Jelpke.
Die Verlage halten sich bisweilen bedeckt zu den Vorwürfen. Einzig der stellvertretende WAZ-Chef Hendrik Groth dementiert eine Gebietsaufteilung. RN-Verleger Lambert Lensing-Wolff und Kurt Bauer, der Verleger der BZ, schweigen dagegen beharrlich.