Wenig Zuckerbrot und sehr viel Peitsche

Die Flucht aus Afrika nach Europa soll erschwert werden. Das ist das erklärte Ziel einer zweitägigen Ministerkonferenz im marokkanischen Rabat. Dort wird zwar viel über Solidarität geredet, tatsächlich geht es aber um eine Politik der Ausgrenzung

AUS MADRID REINER WANDLER

Europa sucht Lösungen für ein dringendes Problem: die Migrationsbewegungen von Afrika in Richtung alten Kontinent. Dazu tagt am heutigen Montag und am Dienstag im marokkanischen Rabat eine afrikanisch-europäische Ministerkonferenz zur Migration und Entwicklung. Die Teilnehmer aus 60 Ländern beider Kontinente versprechen, ganz neue Wege beschreiten zu wollen. Gegner bezweifeln dies.

„Eine Zusammenarbeit für eine bessere Entwicklung und die Stärkung der grundlegenden sozialen Dienste“ sei das Ziel, erklärt der spanische Außenminister Miguel Ángel Moratinos. Ein Aktionsplan, an dem bis zum letzten Augenblick gefeilt wurde, sieht eine gezielte Entwicklungspolitik vor, die der Bevölkerung in den Herkunfts- und Transitländern eine Perspektive geben soll. Gleichzeitig soll die legale Einwanderung gestärkt werden, indem Kontingente für afrikanische Immigranten eingerichtet werden.

Die Initiative zur Konferenz ergriffen Moratinos und sein marokkanischer Kollege Mohammed Benaissa, als im vergangenen Oktober wochenlang tausende von Schwarzafrikanern gegen die Grenzzäune der beiden spanischen Exklaven in Nordafrika, Ceuta und Melilla, anliefen. Paris unterstützte die Pläne von Anfang an. Die EU-Kommission schloss sich ebenfalls an. Einziger Schwachpunkt: Algerien, eines der Haupttransitländer, schickt niemanden nach Rabat. Algier besteht darauf, dass das Thema Migration auf den üblichen Gipfeln zwischen der EU und der Afrikanischen Union verhandelt werden müsse.

„Es wird keine Geberkonferenz werden“, warnt ein spanischer Diplomat trotz dieser Entwicklung ganz offen vor überhöhten Erwartungen. Das wenige, was aus dem Aktionsplan im Vorfeld der Konferenz bekannt wurde, bestätigt dies. Denn wo es um konkrete Maßnahmen geht, ist mehr von der Peitsche der Sicherheitspolitik die Rede als vom Zuckerbrot Entwicklungspolitik. So streben die Teilnehmerländer den Ausbau der polizeilichen und juristischen Zusammenarbeit an. Die europäischen Länder wollen erreichen, dass die Transitländer in Afrika künftig ihre Grenzen hermetisch abriegeln. Ein globales Rücknahmeabkommen mit möglichst vielen afrikanischen Ländern ist das Ziel.

Ein Beispiel, wie die Umsetzung des Aktionsplanes aussehen könnte, ist die Politik Spaniens. Während der Sozialist Moratinos viel von Solidarität redet, kümmert er sich fast ausschließlich um Kooperation in der Sicherheitspolitik. Ende Juni bedankte er sich bei der mauretanischen Regierung für „die exzellente Zusammenarbeit während der vergangenen schwierigen Wochen und Monate“. Das dünn besiedelte Land an Afrikas Westküste hat auf Drängen Spaniens die Grenzen dicht gemacht. Gemeinsam mit spanischen Beamten werden Häfen überwacht. Aus Entwicklungshilfefonds wurden Auffanglager auf mauretanischem Boden eingerichtet und der Armee ein Patrouillenboot geschenkt. Mauretanier und Spanier fahren Nacht für Nacht gemeinsam die Küste ab, um das Ablegen von Cayucos – wie die hölzernen Fischerboote heißen– zu verhindern.

Mitinitiator Marokko präsentiert sich in einem Positionspapier selbst als Beispiel für „eine authentische Zusammenarbeit zwischen Europa und Afrika“. „Ein multidimensionales Herangehen“ – bestehend aus gemeinsamen Seepatrouillen mit der spanischen Guardia Civil und eine Reform des Ausländergesetzes, das Schwarzafrikanern die Einreise nach Marokko erschwert – „machte es möglich, die Zahl der illegalen Einwanderer zu senken.“ Außerdem sei es gelungen, 1.700 Nigerianer in ihre Heimat abzuschieben. Kein Wort von den illegalen Praktiken, die Marokko während der Flüchtlingskrise im vergangen Herbst in Ceuta und Melilla anwandte. Damals wurden Flüchtlinge ganz einfach mitten in der Wüste ausgesetzt und über die Grenze nach Algerien getrieben.