: Bohrloch dicht – alles andere offen
ÖLPEST Erstmals seit der Explosion der „Deepwater Horizon“ fließt kein Öl mehr in den Golf von Mexiko. Doch noch ist nicht sicher, ob das so bleibt. Deshalb bleibt BP nach den Fehlschlägen der Vergangenheit vorsichtig
VON STEPHAN KOSCH
MC252 ist wieder dicht. Zumindest für ein paar Tage. Über dem Bohrloch, aus dem nach der Explosion der Plattform „Deepwater Horizon“ 85 Tage, 16 Stunden und 25 Minuten Öl in den Golf von Mexiko floss, sitzt nun eine Glocke, die sich nach und nach mit Öl füllen wird. Noch wird das Öl nicht abgesaugt, denn die BP-Techniker wollen wissen, ob der Druck in der Glocke tatsächlich steigt, wenn sie vollläuft. Nur dann können sie davon ausgehen, dass das Bohrloch selbst auch dicht ist und das Öl sich nicht einen neuen Weg durch die Gesteinsschichten sucht. Spätestens am Samstagabend soll darüber Klarheit herrschen.
Bis es so weit ist, bleibt BP zurückhaltend. Über der entsprechenden Pressemitteilung steht „Untersuchung des Bohrlochs MC 252 angelaufen“. Offiziell spricht BP immer nur von einem „Test“, der dazu dienen soll, „die weitere Vorgehensweise festzulegen“. Zu groß scheint die Angst, bald wieder einen Fehlschlag melden zu müssen. Wie vor rund sechs Wochen, als BP Schlamm und Zement in das Bohrloch jagte, um es abzudichten. Nach ersten Erfolgsmeldungen musste das Unternehmen dann aber eingestehen, dass der Versuch gescheitert war.
BP bleibt zurückhaltend
„Das ist großartig, aber wir sind noch weit von der Zielgeraden entfernt“, sagte jetzt der BP-Manager Doug Suttles. In der Pressemitteilung ist BP noch zurückhaltender: „Das neue Auffangsystem ist nie zuvor in einer derart großen Wassertiefe und unter den dort herrschenden Bedingungen zum Einsatz gekommen. Daher können die Effizienz und die Eignung dieses Systems zum Auffangen von Öl und Gas nicht als gesichert erachtet werden.“
Doch bei aller Vorsicht: Erstmals seit knapp drei Monaten läuft kein neues Öl mehr in den Golf von Mexiko. Denn die neue Glocke ist größer als die alte, die das Loch nicht ganz abdecken und den Ölaustritt lediglich begrenzen konnte. Insgesamt strömten bislang nach Schätzungen bis zu 4,1 Millionen Barrel Öl ins Meer. Lediglich 749.100 Barrel davon fing BP auf. Deshalb ist die erfolgreiche Installation der Glocke ein wichtiger Schritt hin zu einer noch immer provisorischen Lösung.
Richtig dicht wird das Loch – so zumindest die Hoffnung der BP-Leute – erst, wenn die sogenannten Entlastungsbohrungen an ihrem Ziel sind. Doch das ist ein langer Weg, gut 4.800 Meter tief in den Meeresboden müssen sich die Bohrer auf der einen Seite drehen, sogar über 5.400 Meter tief auf der anderen. Dann wird BP erneut versuchen, über die zusätzlichen Kanäle das Loch dauerhaft abzudichten. Das wird erst im August so weit sein.
Langfristige Schäden
„So erfreulich der Verschluss des Öllecks ist, so wenig sind die grundlegenden Probleme gelöst“, sagt auch Christian Bussau, Ölexperte bei Greenpeace. „Die Ökosysteme des Golfs und der Küstenregionen sind massiv geschädigt worden, langfristige Folgeschäden etwa in den Mangrovenwäldern wie auch für die Fischerei und den Tourismus sind sehr wahrscheinlich.“ Es sei völlig unklar, ob die 20 Milliarden Dollar, die BP auf ein Treuhandkonto einzahlen musste, ausreichen. „Den Tod von tausenden Vögeln, Meeresschildkröten, Delfinen, Fischen, kann man nicht mit Geld wieder gutmachen.“
Unterdessen teilte Brasiliens staatlicher Ölkonzern Petrobas mit, dass er vor der Atlantikküste mit der Ausbeutung von Ölvorkommen in großer Meerestiefe begonnen habe. Aus einem knapp 5.000 Meter tief unter dem Meer liegenden Ölfeld sollen zunächst 13.000 Barrel Öl pro Tag gefördert werden. Staatspräsident Lula da Silva sagte mit Blick auf das über Wochen leckende Loch MC252 im Golf von Mexiko: „Wir haben Technologie, und so Gott will, werden wir es nicht erlauben, dass so etwas hier passiert.“