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Archiv-Artikel

„Eher wird Saudi-Arabien Weltmeister“

Für Claudia Roth ist der Weg zu schwarz-grüner Einigkeit noch weit. Der Integrationsgipfel sei sogar schädlich

taz: Frau Roth, Sie gelten in der deutschen Politik als Mutter der Migranten. Machen Sie sich Sorgen, dass Ihnen Maria Böhmer diese Rolle abnimmt?

Claudia Roth: Mutter der Migrantinnen und Migranten bitte! Wenn Frau Böhmer ihren Job so verstehen würde, hätte ich nichts dagegen. Man muss ja auch Mutterschaft teilen können. Aber bisher sehe ich das nicht auf mich zukommen.

Warum kritisieren Sie den Integrationsgipfel schon bevor er stattgefunden hat?

Weil er sich einreiht in die vielen vermeintlichen Großereignisse dieser Regierung. Da ist eine Gipfel-Mania ausgebrochen und nichts dahinter. Es gibt unglaublich viel Schein und überhaupt kein Sein.

Kommt es nicht auch auf Worte an? Böhmer sagt, man sollte gelungene Beispiele für Integration betonen. Innenminister Schäuble nennt Zuwanderung „Bereicherung“. Das ist neu aus CDU-Munde.

Ja, aber dann macht Frau Böhmer einen großen Gipfel und lädt ausgerechnet gerade die nicht ein, die für eine gelungene Integration und für eine Einbürgerung des Islam dringend gebraucht werden.

Wer fehlt Ihnen denn?

Es geht nicht, Organisationen wie Ditib einzuladen, die eng mit der türkischen Regierung verbunden sind, und andere nicht. Natürlich müsste der Islamrat beteiligt sein, natürlich müsste auch der Zentralrat der Muslime dabei sein. Aber offenbar wollen die Kanzlerin und ihre Beauftragte lieber über die Muslime reden als mit ihnen.

Unter Rot-Grün hat es gar keinen Integrationsgipfel im Kanzleramt gegeben. Die einzigen Migranten, die Gerhard Schröder dort empfangen hat, dürften Ron Sommer und Josef Ackermann gewesen sein.

Diese Kritik können Sie führen. Aber wir waren es, die ein neues Staatsbürgerrecht, das Zuwanderungsgesetz und das Antidiskriminierungsgesetz auf den Weg gebracht haben. Dagegen ist so ein Gipfel doch nur Show. Und eine Einladung, die als ausgrenzend verstanden werden muss, ist sogar schädlich.

Nutzt es nichts, wenn die Koalition Integration als Schwerpunkt setzt? Böhmer nennt das eine Selbstverpflichtung der Volksparteien.

Ich hätte nichts dagegen, wenn etwas passiert. Die Gestaltung unserer Gesellschaft zu einer multikulturellen Demokratie muss vorangetrieben werden. Aber es ist heuchlerisch, wenn die Koalition Integrationsbereitschaft fordert und gleichzeitig die Mittel für Sprachkurse streicht. Wenn sie Engagement von Migrantinnen und Migranten fordert und das kommunale Wahlrecht weiter verweigert.

Sie sehen keinen Lernprozess innerhalb der CDU?

Ich sehe vor allem, dass da mit verteilten Rollen gespielt wird. Der gute Wille von Frau Böhmer und die guten Konzepte eines Herrn Laschet helfen wenig, wenn Leute wie Koch, Stoiber und Merkel im Zweifelsfall anders entscheiden – und zum Beispiel bei der Einbürgerung neue Hürden aufbauen.

Es ist also in der Integrationspolitik noch ein weiter Weg zu Schwarz-Grün?

Aber holla! Dieser Weg ist weit. So weit wie für Saudi-Arabien zur Fußball-Weltmeisterschaft.

INTERVIEW: LUKAS WALLRAFF