: „Wir sind keine WG, sondern Nachbarn“
KREUZBERG In der von Flüchtlingen besetzten Schule fliegen Gegenstände aus dem Fenster. Astrid Leicht, die mit dem Verein Fixpunkt im gleichen Haus sitzt, fordert Konsequenzen durch den Bezirk
49, ist Geschäftsführerin und Projektleiterin des Drogenhilfevereins Fixpunkt e. V.
taz: Frau Leicht, Sie haben das Haus in der Reichenberger Straße 131, in dem Ihr Verein Fixpunkt e.V. residiert, aber auch Flüchtlinge wohnen, durch Fußgängerschutztunnels gesichert. Warum?
Astrid Leicht: Wir haben an den beiden Ausgängen und der Toreinfahrt drei solcher Konstruktionen aufgestellt, um unsere Mitarbeiter zu schützen. Es wurde schon öfter Müll und Wasser aus den oberen Fenstern auf den Hof ausgekippt. Aber seit Dezember verschärfte sich die Situation: Es flogen auch größere Gegenstände wie Möbel und sogar Feuerlöscher zu unseren Geschäftszeiten auf den Hof. Als eine Mitarbeiterin fast von herunterfallendem Sperrholz getroffen wurde, mussten wir reagieren.
Haben Sie eine Vermutung, warum die Situation im Dezember so eskalierte?
Achtlosigkeit, Unkenntnis, Streit innerhalb der Bewohnerschaft – darüber kann ich nur spekulieren. Ich gehe aber auf keinen Fall von einer feindlichen Absicht aus. Mit unseren Sozialarbeitern hat der Bewurf nichts zu tun: Wir machen ja Drogensozialarbeit, da gibt es keine inhaltlichen Überschneidungen zur Flüchtlingsunterkunft in den oberen Stockwerken. Wir sind lediglich Nachbarn, jeder macht sein Ding. Ich glaube, dass auch die Mehrzahl der Flüchtlinge an einem respektvollen Zusammenleben interessiert ist. Wenn allerdings Einzelne durch ihr Fehlverhalten die Sicherheit aller Mieter im Haus gefährden, erwarte ich, dass der Vermieter einschreitet. Aber da der nicht tätig geworden ist, um diese Probleme zu lösen, mussten wir zumindest provisorische technische Maßnahmen ergreifen.
Sie haben nicht nur Fußgängergitter aufgestellt, sondern auch eine Wand durchs Treppenhaus gezogen. Um diese Maßnahmen zu bezahlen, haben Sie Ihre Mietzahlungen eingestellt. Hat der Bezirk reagiert?
Man hat Verständnis für unsere Situation. Im Fall der Fluchttür, die wiederholt von innen aufgemacht und dann am Wochenende tagelang sperrangelweit offenstand, bestand ja wirklich ein Risiko für alle: Jeder konnte einfach so das Haus betreten. Der Bezirk prüft nun eine Alternative zu einer Außentreppe als Fluchtweg. Diese Entschlossenheit vermisse ich beim Thema Müllabwurf.
Mit Kündigung kann der Bezirk nicht drohen – die Räume sind besetzt. Soll er mit Räumung drohen?
So weit würde ich gar nicht gehen wollen. Aber es muss schon mehr als allgemeine Appelle geben, um eine Verhaltensänderung zu erreichen. Man muss die Einhaltung von Regeln auch überprüfen, damit sie beachtet werden. Und auch Sanktionen aussprechen: Wenn aus einem Zimmer über dem Eingang wiederholt Gegenstände fliegen, dann muss dieses Zimmer eben so lange zugemacht werden, bis eine Gefährdung anderer auszuschließen ist.
■ Kreuzbergs Baustadtrat Hans Panhoff (Grüne) räumt ein, dass der Bezirk das Müllproblem lange nicht in den Griff bekommen habe. Jetzt seien der Hof der besetzten Schule aufgeräumt und Container und Mülltonnen geleert worden.
■ Um Gewalt und Hygiene in den Griff zu bekommen, sei „ein Kernteam aus sieben Bewohnern für die Sicherheit gebildet“ worden, sagte Panhoff. Dieses „Social Security Team“ soll auch für eine regelmäßige Müllbeseitigung in den Tonnen sorgen. (dpa)
Haben Sie schon versucht, mit den Bewohnern zu sprechen?
Natürlich – und die, mit denen ich bisher gesprochen habe, äußerten volles Verständnis für unsere Situation, sie zeigen sich betroffen, dass wir diese Tunnels aufbauen mussten. Aber es geht um die Einzelnen, die sich wiederholt falsch verhalten. Die zu erreichen ist uns bislang nicht gelungen. Aber das ist auch nicht unsere Aufgabe – wir sind ja keine WG, sondern Nachbarn. Wie in einem normalen Mietshaus ist der Vermieter in der Pflicht, für Sicherheit und Einhaltung von Hausregeln zu sorgen. Schließlich geht es um die Sicherheit aller Hausnutzer. INTERVIEW: API