: „CDU-Politik ist feige und enttäuschend“
Der Kölner Unternehmer Ingo Stolle über Angela Merkel und seinen Wechsel von den Christdemokraten zur FDP
taz: Herr Stolle, Sie sind als ehemaliger Christdemokrat in die FDP eingetreten. Warum?Ingo Stolle: In der CDU hat mir die Politik keinen Spaß mehr gemacht. Als einfaches Mitglied hat man da wenig zu sagen. Man ist bei CDU-Parteiveranstaltungen nur als Publikum, als Statist gefragt. Die Meinung der Mitglieder zu Sachfragen interessiert die Parteioberen nicht.
Bei der FDP ist das anders?In der FDP ist ein ganz anderes Klima, man wird gefordert. Bei den Liberalen zählt auch die Meinung der einfachen Parteimitglieder. Bei der CDU wurde zu 90 Prozent nur über Personalfragen geredet, in der FDP wird über Sachpolitik diskutiert. Bei einer CDU-Versammlung standen die Redner oft auf und sagen zur Einleitung: ‚Ich bin seit soundsoviel Jahren in der Partei.‘ Da habe ich mich gefragt: Was ist das denn für eine Qualifikation? Außerdem war ich Mitglied bei der CDU in Köln. Und die dortigen Querelen hatte ich irgendwann satt.
Es gab also keine bundespolitischen Gründe für Ihren Parteiwechsel?Doch. Auf jeden Fall. Ich bin in die FDP eingetreten, weil sie für einen klaren Reformkurs steht. Wir brauchen mehr Marktwirtschaft und keine Staatswirtschaft – etwa in der Gesundheitspolitik. Die Krankenversicherung braucht mehr Wettbewerb. Die CDU unternimmt aber an der Regierung nichts in dieser Richtung.
Sind Sie auch enttäuscht von CDU-Chefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel?Im Bundestagswahlkampf stand Frau Merkel noch für Reformen. Aber dann hat der Herr Kirchhof einen drübergekriegt für seine Steuerreformpläne – und Frau Merkel ist eingeknickt. Friedrich Merz hat mittlerweile auch nicht mehr viel zu sagen – obwohl der inhaltlich viel Input gegeben hat für die CDU. In der großen Koalition mit der SPD macht die CDU jetzt eine Politik des Stillstands und der Umverteilung. Die CDU scheint fast komplett sozialdemokratisiert zu sein. Das ist eine feige Politik. Das ist sehr enttäuschend.
Gefällt Ihnen denn die CDU-Politik in NRW besser? Hier regiert die FDP ja mit Ihrer Ex-Partei?Natürlich ist man nie zu 100 Prozent zufrieden mit einer Partei oder einer Regierung. Aber die schwarz-gelbe Landesregierung hat vor allem in der Bildungspolitik einen guten Start hingelegt. Das neue Schulgesetz gefällt mir als Vater von drei Kindern gut. Auch die Einführung von Studiengebühren finde ich richtig. Die Landesregierung sollte ihre Politik aber mehr verkaufen und erklären. Viele Bürgerinnen und Bürger wissen gar nicht, was an guten Dingen auf den Weg gebracht worden ist.
Hat jemand von der CDU versucht, Sie von dem Parteiaustritt abzuhalten?Nö. Wie gesagt: Das einfache Mitglied zählt da nicht viel in einer so großen Partei. Ich habe glaube ich so einen Brief bekommen, von wegen man bedauere meinen Entschluss. Das war es dann aber auch.
INTERVIEW: MARTIN TEIGELER