: Der Führer flog kostenlos
NS-REGIME „Fliegen heißt Siegen“ (20.15 Uhr, Arte) beleuchtet die Rolle der Lufthansa im Dritten Reich
„Es war die deutsche Lufthansa, die uns verschleppte,“ sagt der Ukrainer Wsewolod Suworow. Als junger Mann war Suworow Zwangsarbeiter in einem Frontreparaturbetrieb der Lufthansa.
Im Gegensatz zu anderen deutschen Großkonzernen hat sich die Lufthansa bis heute kaum mit der eigenen Rolle im Nationalsozialismus auseinandergesetzt. Das will der Dokumentarfilmer Christoph Weber ändern.
Es ist die Geschichte von zwei Unternehmen, die Weber spannend erzählt, denn Lufthansa ist nicht gleich Lufthansa. Die deutsche Lufthansa AG wurde 1926 auf Betreiben der Deutschen Bank hin gegründet und stieg bis Mitte der 30er Jahre zur führenden Marke im internationalen Flugverkehr auf. Früh biederte man sich bei den Nazis an.
Hermann Göring wurde bereits als einfacher Reichstagsabgeordneter fleißig bestochen, und Adolf Hitler bekam im Wahlkampf permanent und kostenlos ein Flugzeug gestellt. Nach der Machtübernahme 1933 kam gerade der Lufthansa eine strategisch wichtige Rolle zu. Offiziell durften die Deutschen nicht aufrüsten, also wurden Teile des Lufthansa-Fuhrparks – sowie die heute noch als Traditionsflugzeug gelegentlich über Berlin kreisende Ju-52 – zu Aushilfsbombern umfunktioniert.
Entscheidend war jedoch das ununterbrochene Ausbilden von Piloten – letztlich für den Krieg. Während des Zweiten Weltkriegs wurde aus den Werkhallen der Lufthansa die „Reparaturwerkstatt der Luftwaffe“. Kurzum: Man erzielte ab dem Herbst 1940 horrende Profite auf Kosten von verschleppten Zwangsarbeitern. Und wenn es um diese Frage geht, pocht der heutige Konzern auf die Version von den zwei getrennten Unternehmen.
Das ist formaljuristisch in Ordnung, denn das Unternehmen wurde erst 1955 gegründet. Allerdings kaufte man die Namensrechte der Lufthansa von 1926 ein, inklusive Emblem und Teil des leitenden Personals – und damit auch, das legt die Doku von Christoph Weber zu Recht nahe, eine Verantwortung für dessen Geschichte im Dritten Reich. 1999 wird die Lufthansa wegen Zwangsarbeit in den USA verklagt. Man entschuldigt sich angeblich bei allen Betroffenen und zahlt vereinzelt Entschädigungen.
Jedoch sind beispielsweise bei Eugeniuz Banaszak in Polen weder Geld noch Entschuldigung eingetroffen. Mittlerweile ist Banaszak an den Folgen der Zwangsarbeit gestorben. Im Alter von 14 Jahren musste er für die Lufthansa „in die Flügel reinklettern und nieten,“ berichtet seine Frau.
Die Lufthansa von heute verfügt über ein großangelegtes Unternehmensarchiv, anhand dessen eine Analyse der eigenen Rolle leicht möglich wäre. Der Historiker Lutz Budraß hat genau diesen Job für den Konzern übernommen, nur dass seine Ergebnisse bis heute keiner breiten Öffentlichkeit zugänglich sind.
Man weiß also ziemlich genau über die eigene Vergangenheit Bescheid und handelt trotzdem nicht. Leider hat man da wohl ein altes Motto beherzigt: „Fliegen hießt Siegen. Über Zeiten und Weiten.“ JAN SCHEPER