ZWISCHEN DEN RILLEN : Lahme Kriegsbemalung
Warpaint „Warpaint“ (Rough Trade/Beggars Group/Indigo)
Frisch erschienen, das namenlose Album von Warpaint aus Los Angeles. Genau geplant, kommt die kalifornische Band damit auch bald auf Tour. Sofort ins Auge fällt: Das Quartett weiß sich visuell zu inszenieren und bewegt sich trendsicher zwischen alternativ und artsy-fartsy.
Dafür spricht nicht nur das unfassbar schöne, Zeitgeist atmende Cover ihres Albums, einer Arbeit des britischen Videokünstlers Chris Cunningham. Auch die Bebilderung der zurückhaltend als Blog installierten Website, nicht zuletzt auch das Erscheinungsbild der Bandmitglieder selbst: Emily Kokal, Theresa Wayman, Jenny Lee Lindberg und Stella Mozgawa darf man mit ihren stilsicher schluderigen Outfits und subtil strähnigen Haaren als echte Hipster bezeichnen: ein bisschen Grunge, ein bisschen Glamour. Auch Biz-strategisch wird geschickt eingefädelt: Produziert wurde „Warpaint“ an den Hotspots London und Los Angeles, unter Beteiligung von Flood, der bereits PJ Harvey produzierte, und dem Radiohead-Produzenten Nigel Godrich. Man hat wohl einiges vor mit Warpaint.
Überkonzeptualisiert
Nicht, dass man den Musikerinnen ihr künstlerisches Glück misgönnen würde – es wirkt alles etwas überkonzeptualisiert. Wo bleiben die Persönlichkeiten dieser vier Musikerinnen? Und kann ihr Sound dem Niveau ihrer Inszenierung Stand halten? Leider nein. „Warpaint“ beginnt mit einem Intro, das keines ist. Weil es nicht vorweg nimmt, was die Hörer hinterher erwartet. Weil es nicht in die musikalische Essenz des Albums einführt – vielleicht, weil es gar keine hat? Das Intro klingt, als würde sich die Band gerade einspielen.
Dann folgen acht langweilig plätschernde Songs. „Keep It Healthy“ ist so glatt durchkomponiert, so langweilig und farblos gesungen – Mädchengitarrenpop. Danach ein Stück mit dem vielversprechend klingenden Titel „Love Is To Die“: Nur ist von leidenschaftlicher Liebe bis in den Tod keine Spur. Es fehlt an Intensität, an Eindringlichkeit. Der Gesang zu dünn, zu unbeteiligt, die musikalischen Strukturen zu banal, zu vorhersehbar. Besonders gruselig wird es, wenn richtig ins Mikrofon gejault wird. Das hat einfach keine Klasse. Auch die Songs danach bleiben ob musikalischer Einfallslosigkeit kaum im Gedächtnis. Und was als instrumentale Simplizität gemeint sein könnte, wird nicht durch die Berührung der Leadvocals von Wayman und Kokal ausgeglichen (wie es bei intensiven, raumfüllenden Stimmen ja durchaus Konzept sein kann). Dafür taugen diese Stimmen nicht.
Schlimmer noch: Dafür taugt das Temperament der Singenden nicht, in Ermangelung an Empathie ihres Vortrags. Denn wenn schon eine dünne Stimme, dann gilt es doch, ihre Transparenz herauszuarbeiten. Es ließen sich damit intime Momente schaffen, doch scheinen die Sängerinnen nicht in der Lage dazu zu sein.
Erst in den letzten drei Stücken bekommt man das Gefühl von musikalischer Einheit zwischen der Charakteristik der Songs, der Instrumentierung und dem Gesang. „CC“ beginnt düster und gedrungen, um sehr schnell noch eine rotzig-dreckige Komponente zu entwickeln. Und endlich werden die Gesangsmelodien ihrer Natur entsprechend eingesetzt: Eingebettet als transparente Schichten, gleichsam mit den anderen Instrumenten erklingend, wie man es aus polyphonen Konzepten wie dem Shoegaze kennt. Wirklich schön!
Danach „Drive“: Der reduzierte elektronische Beat in zurückhaltendem Tempo verleiht dem Song Coolness – und im Raum dieser „Aufgeräumtheit“ können die Stimmen wirken und gemeinsam mit der instrumentalen Dramaturgie Kraft entwickeln. Das Finale lebt ebenfalls von Reduktion und dem dadurch entstehenden Raum, in dem der Gesang ungestört klingen kann: „Son“ ist ein ruhiges Klavierstück. Nur in drei von zwölf Tracks hat man das Gefühl, Musik zu hören. Der Rest scheint nicht viel mehr zu sein als auf Indierock getrimmter Mainstreampop. Da passt nur zu gut, dass die Musikerinnen scheinbar verdrängt werden von dem männlich dominierten Namedropping, das rund um den Warpaint-Hype betrieben wird. Schade nur, dass die Musikerinnen bereit dazu waren, sich in Inszenierung aufzulösen. SONIA GÜTTLER
■ Warpaint Live: 23. 2., Köln, „Gloria“, 25. 2., München, „Strom“, 26. 2., Hamburg, „Grünspan“