Mies bezahlt im Mediterraneo

ARBEIT MitarbeiterInnen des Bremerhavener Einkaufszentrums kritisieren ihre Arbeitsbedingungen. Das Center-Management fühlt sich nicht verantwortlich

Ver.di spricht von „zwei Klassen Einzelhandelsmitarbeitern in Bremerhaven“

Über schlechte Arbeitsbedingungen berichten MitarbeiterInnen des Bremerhavener Einkaufszentrums Mediterraneo in einem anonymen Brief: Stundenlöhne von sechs Euro, keine Zuschläge für Aushilfen, ganze Ladenlokale, in denen nur eine Person arbeitet.

Das passt zu den Eindrücken, die ein Besuch des Mediterraneo vermittelt: In manchen Geschäften gibt es eine VerkäuferIn – aber keine KundInnen. Nicht einmal zur Toilette gehen könnten die, die alleine im Laden stehen, heißt es in dem Brief, der der taz vorliegt. Es sei denn, Nachbargeschäfte oder StammkundInnen beaufsichtigen den Laden. Für die Dauer des Toilettengangs zu schließen, sei verboten. Von „moderner Sklaverei“ und „zwei Klassen von Einzelhandelsmitarbeitern in Bremerhaven“ spricht die Gewerkschaft Ver.di angesichts des Schreibens: Jene, die unterbezahlt im Mediterraneo arbeiten und jene, die unter besseren Bedingungen bei großen Ketten arbeiten.

Bei Ver.di hält man den Brief für glaubwürdig. „Die Schilderungen überraschen uns nicht“, sagt Bernd Hering, Ver.di-Gewerkschaftssekretär für Handel. 12,93 Euro sieht der Tarifvertrag für ausgebildete Angestellte im Einzelhandel vor. „Uns ist aber kein Arbeitsvertrag aus dem Mediterraneo bekannt, nach dem das auch gezahlt wird“, sagt er.

Hering sieht nun die Politik in der Pflicht, sich für die MitarbeiterInnen einzusetzen. Erst Ende Mai hatte die Bürgerschaft beschlossen, dass die Geschäfte im Mediterraneo weiterhin an 20 Sonntagen im Jahr öffnen dürfen. Bis 2012 wurde die entsprechende Sonderregelung verlängert. Im Vorfeld hatte das Arbeitsressort eine lockere Umfrage unter Mediterraneo-MitarbeiterInnen durchgeführt. 43 hatten die Zettel abgegeben, das Arbeitsressort wertete die Ergebnisse als „positive Rückmeldung“. Ver.di-Sekretär Hering fordert, dass sich der Senat für die Verbindlichkeit der Tarifverträge einsetzt. „Die Politik kann die Weichen noch stellen“, sagt er.

Im Arbeitsressort zeigt man sich bemüht um die Situation im Mediterraneo. „Wir nehmen solche Briefe ernst und gehen ihnen nach“, sagt Sprecherin Petra Kodré. Für August habe das Ressort ein Gespräch mit dem Center-Management vereinbart. Zwar sei die Sonderregelung für die Sonntagsöffnungen nicht an Auflagen gebunden, sie sei aber auch „kein Selbstläufer“, so Kodré. Für die Bürgerschaft und die Fraktionen spiele die Situation der MitarbeiterInnen durchaus eine Rolle, wenn es um die Frage einer weiteren Verlängerung der Sonntagsöffnungen gehe. „Die Arbeitsbedingungen sind auch eine politische Frage“, sagt Kodré.

Beim Management des Mediterraneo scheint man sich dessen nicht bewusst zu sein. Über die Arbeitsbedingungen im Center müsse man mit den Händlern sprechen, hieß es gestern auf taz-Nachfrage. „Wir bezahlen die Leute ja nicht.“ THA