: „Wir könnten schnell Erfolge erzielen“
Jakob von Uexküll, der Gründer des Weltzukunftsrates, über die Standortwahl seines Gremiums und die Aussichten, die Welt nachhaltig zu verändern. Viele Enscheidungsträger würden gerne etwas verändern, glaubt Uexküll. Sie wüssten nur nicht, wie. Der Weltzukunftsrat will ihnen dabei helfen
Herr von Uexküll, es waren ja einige Städte als Hauptsitz des Weltzukunftsrates im Gespräch: London, Bonn, Dubai ... Warum haben Sie sich für Hamburg entschieden?
Hamburg ist es als erster Stadt gelungen, uns die nötige Grundfinanzierung zur Verfügung zu stellen.
Dass Dubai überhaupt im Rennen war, hat uns überrascht. Der Rat beschäftigt sich ja mit nachhaltiger Entwicklung, und für die ist der Ölstaat doch eher ein Gegenbeispiel.
Was da in der Presse zu lesen war, ist nicht ganz korrekt. Wir hatten ein Treffen in Abu Dhabi mit dem Berater des Kronprinzen. Es gibt in den Golfstaaten, genauso wie in Indien und China das Bewusstsein, dass sie sich auf etwas eingelassen haben, was nicht nachhaltig ist. Sie haben Schwierigkeiten, Alternativen zu finden. Aber eine Offenheit für Lösungen ist da.
Es gibt bereits Foren, die versuchen, die Weltprobleme zu lösen: den „Club of Rome“, das Weltsozialforum, die UNO. Weshalb ist zusätzlich ein Weltzukunftsrat nötig?
Wenn das jemand schon machen würde, hätte ich mich angeschlossen und keine eigene Organisation gegründet. Hohe UNO-Beamte haben gesagt, sie brauchten den Weltzukunftsrat, damit die UNO wieder zur UNO werden könne. Da blockieren zurzeit die USA die kleinsten Reformvorschläge. Der Präsident des Club of Rome ist im Zukunftsrat dabei. Wir haben einen viel breiteren Themenkreis als der Club of Rome und kümmern uns vor allem um die Umsetzung von Lösungen.
Glauben Sie, dass die Spitzen von Politik und Wirtschaft auf den Zukunftsrat hören werden, wenn sie schon nicht auf den Club of Rome gehört haben?
Der Club of Rome hat auf vielen Gebieten Recht bekommen. Das wird aber nicht immer so gesehen. Er wird mit den Grenzen des Wachstums identifiziert, weniger mit der Zukunft. Unser erster Ausgangspunkt ist ja: Es gibt gemeinsame Werte. Der erste Wert ist der, dass man so leben möchte, dass man seinen Kindern eine bessere Welt hinterlässt und keine schlechtere. Das ist ein gemeinsamer Brutinstinkt aller Menschen. Dieser Instinkt wird von anderen Werten unterdrückt und muss wieder eine stärkere Stimme bekommen. Das ist eine Hauptaufgabe des Weltzukunftsrates. Wir werden viele Themen aufgreifen, die nicht Themen des Club of Rome waren: Abrüstung, Finanzreform, internationale Institutionen, die Vertiefung der Demokratie.
Nachhaltigkeit ist ein Wert, auf den Sie sich sicher mit den meisten Politikern und Wirtschaftsführern einigen könnten. Aber in der Praxis werden diese der Logik der Systeme folgen, in denen sie arbeiten.
Es gibt einen ganz breiten Konsens nicht nur über die Probleme, sondern dass man auch eine ganz andere Weltordnung schaffen muss. Aber man weiß nicht, wie man von hier nach dort kommt. Man macht zwar im alten System weiter, aber man glaubt nicht mehr daran, dass es die Probleme lösen kann.
Andererseits gibt es Angst, weil man so wenig Glaubwürdigkeit hat. Und wenn man etwas plötzlich ganz anders macht, ist man noch weniger glaubwürdig. Je weniger Glaubwürdigkeit man hat, desto weniger kann man sich durchsetzen. Das ist ein Teufelskreis. Deshalb werden wir viele zusammenbringen, die glaubwürdig sind. Sie werden nicht automatisch Macht und Einfluss haben, aber wenn nach einigen Jahren ihre gemeinsame Arbeit bekannt ist, wird man das, was sie sagen, sehr ernst nehmen.
Wir haben ja mit der Arbeit als Weltzukunftsrat schon angefangen. Wir haben uns gefragt: Was gibt es denn schon auf der Welt an beispielhaften Lösungen? Wir haben versucht, die besten Problemlösungen zu sammeln und waren erstaunt, dass es solche Sammlungen nicht gab. Wir schauen uns zum Beispiel an: Was ist mit der deutschen Gesetzgebung zu erneuerbaren Energien, die weltweit vorbildlich ist. Wir schauen uns an: Was davon funktioniert wo? Damit werden wir die Parlamentarier und Nichtregierungsorganisationen ansprechen und sie bitten, das durchzusetzen.
Es gibt aber mächtige Bremser innerhalb der Staaten und eine Konkurrenz zwischen den Staaten, die verhindert, dass sie sich Lasten zugunsten künftiger Generationen aufbürden.
Klar, es gibt eine Angst. Wir haben ja auch unter den so genannten Unternehmern heute viele Besitzstandswahrer. Etwas zu unternehmen im Interesse der Zukunft wird nicht einfach sein. Die Besitzstandswahrer sitzen auch in der Politik und in staatlichen Stellen. In Großbritannien haben Unternehmen gefordert, die Regierung möge dafür sorgen, dass es sich lohnt, zukunftsfähig zu wirtschaften. Die Regierung lehnte mit dem Argument ab, das wäre ein unangemessenes Eingreifen in die Wirtschaft. Es gibt da ganz neue und merkwürdige Fronten. Auch links und rechts taugt da nicht zur Unterscheidung. Auf beiden Seiten gibt es sehr konservative Kräfte und solche, die begriffen haben, dass wir uns auf die schwierigste Reise begeben, die die Menschheit je begonnen hat.
Wie viel Zeit hat die Menschheit noch, um umzusteuern?
Das ist eine sehr schwierige Frage. Wenn morgen in Osteuropa ein Flugzeug in ein Atomkraftwerk gelenkt wird, wären weite Teile Europas für 3.000 Jahre unbewohnbar. Sicher wird die nachhaltige Lebensqualität, die wir heute erreichen können, nicht so hoch sein, wie wenn wir schon vor 20 Jahren angefangen hätten. Es gibt Karten der Vereinigten Staaten, die zeigen, wie sich der Klimawandel auswirkt. Schon nach den optimistischen Szenarien wird die Küste Floridas zurückweichen, den pessimistischen zufolge wird Florida ganz verschwinden.
Was ist das erste Problem, das Sie sich vornehmen werden?
Ich bin der Meinung, das wir mit dem Klimachaos und der Energieversorgung anfangen sollten, weil das öffentliche Bewusstsein da sehr stark ist und wir entsprechende Kapazitäten im Rat haben. Wir könnten recht schnell Erfolge erzielen.