wasser, dampf etc.
: Wolken, die vorüberziehen

Ein wolkenloser Himmel ist schön anzusehen, aber manchmal nicht gut auszuhalten. Gerade bei Hitze wird eine Wolke, die kurzzeitig die Sonne verdeckt, als Wohltat empfunden. Dann hört man manchmal ein erleichtertes Seufzen von denjenigen der 82.400.000 Deutschen, die es sich entlang der 2.389 Kilometer langen deutschen Küste bequem gemacht haben (vgl. FAZ-Feuilleton von Samstag, Stichwort Hitze) oder sich in einem der vielen deutschen Parks, Biergärten oder Naherholungsgebiete der Sonne aussetzen. Hauptsache, die Wolke zieht vorüber und massiert sich nicht zur geschlossenen Wolkendecke.

Wolken bestehen bekanntlich aus Wasserdampf, der vom Wind mal langsam, mal schneller über den Himmel bewegt wird. Das kann sich zu grandiosen Phänomenen von außerordentlicher Schönheit entwickeln – zu gewaltig aufgetürmten weißen Ballungen oder auch zu ganz zart hingetupften Feldern von Weiß, zu melancholisch über den Himmel ziehenden Inseln bis hin zu wüst und gefährlich rasenden Mauern, in denen man, während man sie in einem Straßencafé sitzend auf einen zustürmen sieht, Blitz und Donner vermutet. Bei Wikipedia kann man außerdem nachlesen, dass Wolken hauptsächlich in der Troposphäre, aber zum Teil auch in der Stratosphäre anzutreffen sind – aha! Hier fehlt jetzt ganz entschieden der Kontextparagraf. Macht nichts. Die Chefin ist außer Haus.

Das war gerade ein Insiderwitz. Geradezu universal dagegen scheint die Ablehnung von wolkigem Gerede zu sein, und fragwürdig ist, ob man mit so etwas in den Perlentaucher kommt. Die Frage ist, warum man wolkiges Gerede ablehnt. Die Wolken jedenfalls können gelegentlich zu einem sprechen, man kann sie lesen, sieht etwa Delfine oder (merkwürdig häufig) Kaninchen, nimmt an einer Stelle die schöne Nase der gerade etwas entfernten Partnerin wahr, hofft, wünscht, dass sich eine Ausbuchtung an einer anderen Stelle noch zu ihrer Stirn entwicklen könnte – den Wolken zuzuschauen ruft sofort Aspekte von Glück und Loslassen in einem auf; die Seele baumeln lassen, nannte das Tucholsky. Nur in Ernstdiskursen ist so etwas natürlich verpönt. Falls bei Integrationsgipfel und G-8-Treffen etwa nur wolkig geredet worden sein sollte, wäre man doch enttäuscht, da können die Rumtreiber am Himmel sich noch so malerisch ausnehmen.

Es ist das Flüchtige, das Nichtfixierte, was die Wolken ausmacht: ein verschwenderischer Reichtum, der sich von Moment zu Moment neu erfüllt, nicht festzuhalten, nicht zu bewahren, eine Art reiner Ausdruckswille, mit denen einen die Natur manchmal freundlich grüßt. So wie wir mit diesem Text wolkig rübergrüßen zu den FAZ-Kollegen, die es Samstag geschafft haben, Hitzekoller in Text umzusetzen. DIRK KNIPPHALS