berliner szenen Polit-Burger

Vier gegen Guantánamo

Die Dame am Einlass hat eine schwarze Henkersmaske übergezogen. Die vier Autoren, die nebeneinander auf der kleinen Bühne sitzen, sprechen sich nur mit Genosse I bis Genosse IV an. Genosse I betont, dass auf Einhaltung des Mottos „Guantánamo – Wer lacht, fliegt raus!“ streng geachtet würde. Eine etwa 30-jährige Frau mit Nickelbrille und Bermudashorts in der Ecke muss lachen. Die anderen Zuschauer halten sich an das Gebot.

Genosse I beginnt einen Text über die letzte Hinrichtung in Europa vorzulesen: Ausgerechnet einen Ostdeutschen ließ Franco damals durch die Garotte, das Würgeeisen, einen qualvollen Tod sterben. Die Musik, eingespielt von DJ Stammheim, kontrapunktiert dazu – sie stammt aus demselben Jahr, 1974, als Deutschland auch die Fußball-WM gewann: „Theeoo, wir fahr’n nach Lotsch!“

Als Nächstes liest Genosse II „Kacke von der Seele“ vor. Das Punktrio „Ugly Americans“ beginnt mit Musik, die an den Radetzkymarsch erinnert. Die Frau in der Ecke steht auf, offenbar ist sie betrunken. Sie geht zur Bühne, wo der Sänger zappelt, tanzt ziemlich genau drei Sekunden lang herum und wankt zurück auf ihren Platz. Sie spricht ihren Nachbarn an, der legt seinen Finger auf den Mund: „Pscht!“ Die Lesung geht weiter.

Die Betrunkene geht zu dem Aufpasser: „Darf ich noch bleiben?“ Sie darf. Genosse III ist eine politische Dichterin, ihr anklagender Refrain lautet „Dort in Guantanamo-Bay“. Genosse IV schließlich liest Verwaltungskorrespondenz über den Bau von Vernichtungslagern vor, bei der die Namen der Protagonisten durch die von Bush, Rumsfeld und Cheney ersetzt sind, damit jeder begreift, dass die genauso schlimme Verbrecher sind wie die Nazimörder. FALKO HENNIG