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Archiv-Artikel

Tony Hayward erhält sein Leben zurück

ABLÖSUNG Nach seinem desaströsen Krisenmanagement bekommt der BP-Chef jetzt einen Posten in Russland – und lässt sich seinen Abgang vergolden

WASHINGTON taz | Britische Wettbüros wussten es schon vor Wochen: Tony Hayward war als BP-Chef nicht mehr zu halten, die Wettquoten standen 8 zu 11 gegen ihn. Sie haben recht behalten, Hayward räumt seinen Stuhl. Sorgen braucht sich um ihn niemand zu machen. Der Ingenieur, der seine komplette Karriere bei BP gemacht hat, wird nicht etwa nach Russland verbannt. Sondern er wird an einem goldenen Fallschirm sanft in höhere Einkommensphären und einen neuen Job gleiten. Der 53-Jährige erhält einen Aufsichtsratsposten bei TNK-BP, der mit einem Jahresgehalt von 1,045 Millionen Pfund (1,26 Millionen Euro) entlohnt wird. Auch behält er seine Aktienoptionen aus einem Bonusprogramm, die etliche Millionen wert sein können, wenn sich der seit dem Unglück um 40 Prozent eingebrochene Kurs wieder erholt. Dazu kommen Pensionsansprüche von rund 700.000 Euro jährlich.

In den USA war Hayward unten durch. Vermutlich hätte jeder Chef nach einer Katastrophe, von den Ausmaßen der Explosion der „Deepwater Horizon“ gehen müssen. Aber Hayward hat in den USA – von Anfang an und mit jedem neuen Auftritt – die Lage noch verschlimmert. Angefangen mit seinen Beschönigungen.

Dem Gefasel von einer „winzigen Lache“ und den „sehr, sehr bescheidenen“ Umweltauswirkungen, über das öffentliche Gejammere, er wolle endlich „sein Privatleben zurückhaben“, bis hin zu seinem unbeholfenen Gestammel und seinem deplatzierten Grinsen vor dem Kongressausschuss im Juni. Wie ein Schulbub saß er da einen Tag lang vor den gewählten VertreterInnen der US-AmerikanerInnen. Und hatte nicht mehr zu sagen als ein paar wie auswendig gelernt klingende Sätze über sein „Bedauern“ und darüber, dass BP „jeden von BP verursachten Schaden“ ersetzen werde. Zwei Monate nachdem die Katastrophe begonnen hatte, konnte er keine einzige konkrete Frage beantworten. Das Fernsehen übertrug den miserablen Auftritt von Hayward in den USA live. Inklusive der Feststellung aufgebrachter PolitikerInnen: „Sie antworten nicht.“ Mit Unverständnis beobachtete das Publikum, wie der Brite sich bei einer Segelregatta entspannte, während das Öl den Golf von Mexiko verseuchte.

BP steht jetzt nicht nur für die größte Umweltkatastrophe in der Geschichte der USA. Nicht nur für die Arroganz der Ölindustrie, die ganz allein und unkontrolliert schaltet und waltet. Nicht nur für die Hilflosigkeit angesichts einer Katastrophe, die jederzeit hätte passieren können, auf die aber keiner vorbereitet worden war. BP gilt in den USA auch als der Ölkonzern, der beim Kostensparen, bei Investitionen in Lohn und Sicherheit in der Ölindustrie, ganz besonders radikal spart. Für US-Gewerkschafter zeigte sich das schon bei einer anderen Ölkatastrophe in einer Anlage von BP: Bei jener Explosion der Raffinerie im Jahr 2005 in Texas City kamen 15 Arbeiter ums Leben. Das waren vier Menschen mehr als auf der „Deepwater Horizon“. Auch in Texas City gab es, wie auf der „Deepwater Horizon“, lange vor der Katastrophe zahlreiche Warnsignale von Beschäftigten, von externen Beobachtern. Alle verlangten Sicherheitsinvestitionen. Doch BP ließ es darauf ankommen. Bis es zu spät war.

Auch am anderen Ende der USA, in Alaska, ertönt derselbe Vorwurf gegen BP. Dort soll an der von BP betriebenen „Alaska- Ölpipeline“, die vor drei Jahrzehnten auf dem Festland errichtet worden ist, schon lange der Bedarf an neuen Sicherheitsinvestitionen bestehen. Sagen KritikerInnen. Doch BP spart.

DOROTHEA HAHN