Verrat am Willen des Wählers

Mit dem Volksbegehren soll auf einmal nur noch ein temporärer Schutz für das Feld gemeint sein

VON SEBASTIAN HEISER

Die Initiative „100 % Tempelhofer Feld“ verrät die 185.328 Berliner, die für das Volksbegehren unterschrieben haben. In einem beachtenswerten Schwenk versuchen die Initiatoren, ihrem Volksbegehren eine neue Bedeutung zu geben: Plötzlich soll nicht mehr ein dauerhafter, sondern nur noch ein zeitlich begrenzter Schutz für das Feld gemeint sein.

Was ist eigentlich aus den Argumenten geworden, mit denen die Initiative bisher geworben hat? Dass das Feld ein Frischluftlieferant für die Innenstadt ist? Dass Grauammern, Brachpieper und Waldohreulen geschützt werden müssen? Dass eine Bebauung zur Gentrifizierung benachbarter Quartiere und zu Spekulationsgewinnen für Bauherren führt? Gilt das etwa in drei Jahren nicht mehr?

Die Verfassung schreibt vor: Wenn mehr als 174.000 Menschen einen Volksentscheid wollen, dann gibt es einen Volksentscheid – und zwar über genau den Text, für den unterschrieben wurde. Das Volksbegehren gehört jetzt dem Volk, nicht den Initiatoren.

Von Anfang an sagen

Formal gesehen stimmt es natürlich, dass auch ein vom Volk beschlossenes Gesetz später jederzeit vom Abgeordnetenhaus geändert werden kann. Aber es kann ja nicht das Ziel eines Volksgesetzes sein, später wieder geändert zu werden. Wenn die Initiative nur einen zeitlich begrenzten Schutz für das Feld will, dann hätte sie es von Anfang an genau so in den Gesetzentwurf schreiben sollen. Dann hätte sich jeder überlegen können, ob er so etwas unterschreiben will – oder ob er lieber ein eigenes Volksbegehren startet. Für ein Feld, das nicht nur zu hundert Prozent frei bleibt, sondern auch dauerhaft.