WDR bittet Staatssekretär um Entschuldigung

Löschaffäre um kritischen Radiobeitrag: WDR-Hörfunkdirektorin Monika Piel schreibt einen Entschuldigungsbrief an CDU-Staatssekretär Baganz. SPDler greift Senderchef Fritz Pleitgen an: „WDR braucht einen neuen Intendanten“

DÜSSELDORF taz ■ Der Westdeutsche Rundfunk sagt sorry. In einem Schreiben an die Privatadresse von CDU-Wirtschaftsstaatssekretär Jens Baganz hat sich WDR-Hörfunkdirektorin Monika Piel für einen „journalistischen Fehler“ in einem Radiobeitrag über Baganz‘ Vergangenheit als Mülheimer Oberbürgermeister entschuldigt. „Ihrer Bitte, das Sendemanuskript aus unserem Internet-Angebot zu entfernen, sind wir in der Zwischenzeit nachgekommen“, heißt es in dem der taz vorliegenden Schreiben, das Baganz in der vergangenen Woche zugesandt wurde. Mitte Juni hatte Baganz in einem Brief an WDR-Intendant Fritz Pleitgen um die Entfernung des seiner Meinung nach fehlerhaften Beitrags aus dem WDR-Internetangebot gebeten.

Hat der WDR also doch auf Baganz‘ Druck hin einen Radiobeitrag überprüft und gelöscht? Eine WDR-Sprecherin bestreitet dies weiterhin, Piel räume aber ein, die Formulierung in dem Brief an Baganz sei „missverständlich“. In einer Pressemitteilung hatte die WDR-Hörfunkdirektorin das Löschen des kritischen Radiobeitrags am Dienstag nämlich noch ganz anders erklärt: „Die Maßnahme erfolgte unabhängig von einem Schreiben des Mülheimer Ex-Oberbürgermeisters Baganz.“ Das „im übrigen sehr gut recherchierte und detaillierte“ Feature über umstrittene Privatisierungsgeschäfte in Mülheim sei aufgrund einer anderen Beschwerde überprüft und schließlich aus dem Onlinearchiv entfernt worden (taz berichtete). In dem Brief Piels an Baganz heißt es nun: Das Manuskript des Beitrags enthalte auf Seite 14 „aufgrund eines unsauber formulierten Zeitbezugs eine Aussage, die als falsch gewertet werden kann“.

Eben dies hatte Baganz in seinem Protestbrief an Pleitgen unter anderem kritisiert: „Es ist falsch, dass ich einige Tage vor meinem Rücktritt verkündet habe, ich würde ‚vom RWE-Konzern und der WAZ‘ unterstützt.“ Baganz war 2002 zurückgetreten – offiziell „aus privaten Gründen“. Doch die Gründe waren laut Beobachtern nur zum Teil privat: Baganz lebte mit einer Vergaberechtsexpertin zusammen, die die Stadt Mülheim für ein angeblich sechsstelliges Honorar bei den entscheidenden Privatisierungen beraten hatte.

NRW-SPD-Generalsekretär Michael Groschek will Einflussversuche der CDU-Landesregierung auf Medien weiter untersuchen. „Besonders das Verhalten von Noch-Medienstaatssekretär Thomas Kemper sollte aufgeklärt werden“, sagte Groschek gestern zur taz. Der scheidende Regierungssprecher Kemper hatte Baganz ermuntert, sich an Pleitgen zu wenden.

Unterdessen hat der SPD-Landtagsabgeordnete Karsten Rudolph offen gegen WDR-Intendant Fritz Pleitgen Stellung bezogen – in einer anderen Sache. Rudolph ist gegen eine erneute Wiederwahl des Senderchefs. „Der WDR braucht einen neuen Intendanten“, sagte WDR-Rundfunkratsmitglied Rudolph der WAZ. Mit Pleitgen an der Spitze habe die Kölner Anstalt keine Zukunft. CDU-Vertreter wollen den Vertrag Pleitgens dagegen verlängern.

Steckt hinter den SPD-Attacken in der Löschaffäre gar personalpolitisches Kalkül? Soll Pleitgen sturmreif geschossen werden, um seine Wiederwahl zu verhindern? Für Groschek haben beide Vorfälle „nichts“ miteinander zu tun. Auch SPD-Rundfunkratsmitglied Karin Junker sagt: „Karsten Rudolph hat Herrn Pleitgen ja schon häufiger kritisiert.“ Über einen Zusammenhang zum aktuellen Fall Baganz wisse sie nichts, so die SPD-Frau. Rudolph spreche jedoch nicht für die Gruppe der SPD-Vertreter im WDR-Rundfunkrat.

MARTIN TEIGELER