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Archiv-Artikel

Über Deutschland kein Wort

In seiner ersten Regierungserklärung fordert Polens Premier Kaczyński eine unbedingte moralische Ordnung für das Land. Über das derzeit schwierige Verhältnis zu den EU-Nachbarn sagt er nichts

AUS WARSCHAUGABRIELE LESSER

„Wir wollen den Erfolg!“, schnaubte Polens neuer Premier Jarosław Kaczyński zu Beginn seiner Regierungserklärung gestern ins Mikrofon: „Wir wollen eine Regierung der Hoffnung und des Optimismus sein.“ Und: „Unser Prinzip aller Prinzipien ist: Es ist gut, ein Pole zu sein!“

Das neue Kabinett Polens unterscheidet sich kaum von der Vorgängerregierung unter Kazimierz Marcinkiewicz. Sie wird von den gleichen Parteien unterstützt, der nationalkonservativen Recht und Gerechtigkeit (PiS), der linkspopulistischen Bauernpartei Selbstverteidigung (Samoobrona) und der rechtsklerikalen Liga der polnischen Familien (LPR). Vor gut einer Woche reichte Marcinkiewicz seinen Rücktritt ein. Der einstige Hinterbänkler aus Gorzow Wielki/Landsberg an der Warthe ist Umfragen zufolge der beliebteste Politiker Polens. Als er es wagte, Entscheidungen zu treffen, ohne seinen Parteioberen Kaczyński zu konsultieren, sah dieser die Zeit gekommen, sich selbst als Premier ins Spiel zu bringen. Kurzerhand degradierte er Marcinkiewicz zum Kandidaten für das Amt des Oberbürgermeisters von Warschau. Jarosławs Zwillingsbruder Lech Kaczyński, seit Herbst 2005 Staatspräsident Polens, war auch einverstanden. Freudestrahlend überreichte er am vergangenen Freitag seinem Bruder die Ernennungsurkunde zum Premier.

Zum Erstaunen vieler Polen erwähnte der neue Premier in seiner Regierungserklärung mit keinem Wort das schwierige Verhältnis seiner Regierung zu den EU-Nachbarn Polens, insbesondere aber zu Deutschland. Stattdessen verwies er auf die große Bedeutung, die für Polen die Mitgliedschaft in der Nato und das Bündnis mit den USA habe. Dies gelte gerade angesichts der nicht einfachen gemeinsamen Arbeit „im Rahmen der Koalition“, deren Abschluss gemeinsam verhandelt werden müsse, meinte er in Anspielung auf die 900 im Irak stationierten polnischen Soldaten. Warschau werde seinen Einsatz im Irak vermutlich über das Jahresende hinaus ausdehnen, deutete er an: „Polen ist keine Nation von Deserteuren.“

Innerhalb der EU, so KaczyńĽski, wolle seine Regierung sich zwar aktiv an der Krisenbewältigung beteiligen, zugleich aber auf der eigenen „Souveränität in Fragen von Kultur und Moral“ bestehen. Polen könne Werte aus anderen EU-Ländern übernehmen, wie etwa die „Gleichberechtigung der Frau in der Familie“. Alles andere aber lehne seine Regierung ab. Das Wort „Homosexuelle“ nahm Kaczyński erst gar nicht in den Mund. Die Zuhörer verstanden ihn auch so.

„Polen braucht eine unbedingte moralische Ordnung!“, forderte Kaczyński. „Durchleuchtet“ werden müsste nicht nur die Vergangenheit der politischen Eliten auf eventuelle Stasi-Kontakte in der Zeit vor 1989. Auch die materielle Situation dieser Eliten müsse untersucht werden. „Wir haben nichts gegen Reiche, wollen aber wissen: Wer ist aus welchem Grund reich?“ Eine seiner persönlichen Prioritäten in der Regierung werde die Energiesicherheit Polens sein. Dazu werde auch der Einstieg Polens in die Atomkraft gehören. „Die Hysterie gegenüber dieser Energiequelle geht weltweit zurück. Die Franzosen sind die führende Atommacht in Europa. Dem sollten wir uns anschließen.“ Polen wolle auch unabhängig von russischem Gas werden und einen Vertrag mit Norwegen über die Lieferung von Gas abschließen. „Zudem bereiten wir ein Gesetz über die nationale Energiesicherheit vor.“ In Extremsituationen soll das die Regierung in die Lage versetzen, Instrumente wie den „Zwangsaufkauf“ einzusetzen. Zur Energiesicherheit soll auch der Gashafen beitragen, der an Polens Ostseeküste gebaut werden solle.