: Nackte Zeichnungen
SCHWEDEN Ein Manga-Experte wird wegen des Besitzes von kinderpornografischen Zeichnungen verurteilt
Eine heftige Debatte hat in Schweden ein Urteil wegen Besitzes von Kinderpornografie ausgelöst. Zu einer auf Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe und einer Geldbuße wurde einer der bekanntesten Manga-Experten und Übersetzer dieser japanischen Comics vom Amtsgericht in Uppsala verurteilt. Die Polizei hatte auf dem Rechner des Verurteilten 51 als „kinderpornografisch“ eingestufte Manga-Zeichnungen gefunden – unter drei Millionen nicht „suspekten“ Bildern. Material, das er für seine Arbeit benötige, wie der Experte angab.
In Schweden ist der Besitz von Kinderpornografie seit 1999 strafbar, seit Juli auch das bloße Anschauen entsprechender Bilder. Zeichnungen und Gemälde können ebenfalls den Tatbestand einer kinderpornografischen Darstellung erfüllen. Die beanstandeten Mangas kränken Kinder „auf einem generellen Niveau“, so das jetzige Urteil.
„Das widerspricht jeglicher gesunder Vernunft“, meint Leif Silbersky, der Anwalt des Verurteilten, der gegen das Urteil Berufung eingelegt hat: „Das sind doch nur Zeichnungen. Kein Kind ist da zu Schaden gekommen.“ Auch die Zeitung Expressen schreibt: „Wie unbehaglich und widerlich solche fiktiven Darstellungen auch sein mögen und was immer man über japanische Pornografie mit gezeichneten Kindern denken mag, es gibt ja faktisch keine Opfer.“
Für die Vermutung, Konsumenten solcher Darstellungen würden Gefahr laufen, eher zu Tätern zu werden, gebe es in der psychologischen Forschung keine Anhaltspunkte, erklärt die IT-Forscherin Marie Eneman, Mitarbeiterin an einem Projekt über IT und Kinderpornografie, gegenüber der Stockholmer Dagens Nyheter: „Wir müssen mal überlegen, was wir da eigentlich tun. Wollen wir jetzt anfangen, Gedanken zu bestrafen?“
Das schwedische „Verbot dieses Typs geschmackloser/ekelhafter/entarteter Kunst“ werde bald in der ganzen EU gelten, wenn es nach EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström gehe, warnt Christian Engström, Europaparlamentarier der schwedischen Piratenpartei: Der von „Censilia“ vorgelegte Vorschlag für eine Zensur von Internetseiten „mit realistischen Bildern von Kindern, involviert in sexuelle Handlungen“ könne auch für Zeichnungen gelten. „Nun können wir gerne darüber diskutieren, ob es gut oder schlecht ist, gewisse Typen von Kunst zu verbieten“, meint Engström: „Aber für eine ehrliche Debatte müssen die Verbotsbefürworter zumindest erst einmal anerkennen, dass es hier um Kunst geht, nicht um Kinder.“
Der Verurteilte selbst, der unter anderem an Universitäten Manga-Kunst unterrichtet, gibt in seiner einzigen öffentlichen Stellungnahme gegenüber einem IT-Blog an, die Zeichnungen hätten in ihrer Mehrheit „nackte Körper, nichts, was man mit Sex verbindet“, dargestellt, „einige wenige einen sexuellen Akt“. Und die meisten „wären meiner Meinung nach zulässig, würde es sich um Fotografien handeln“.
REINHARD WOLFF