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Archiv-Artikel

Naziverbot für Kitas in Meck-Pomm – der richtige Weg?

PRO

ANJA MAIER ist Ressortleiterin der sonntaz

Keinen Fußbreit den Faschisten. Ganz klar. Und nicht mal einen Türspalt weit dort, wo sie Kindern ihre braune ideologische Suppe einlöffeln könnten. Der Erlass von Mecklenburg-Vorpommerns SPD-Sozialministerin Manuela Schwesig ist restriktiv, ja. Doch die Forderung, die er erhebt, nämlich dass Pädagogen unterschreiben müssen, sich auf dem Boden des Grundgesetzes zu bewegen, ist angemessen.

Kindererziehung – das ist der Bereich, in dem der Staat es ruhig riskieren soll, als restriktiver Gesinnungsbüttel dazustehen. Denn Demokratie hält nicht alles aus. Schön wär’s natürlich. Aber wer nun vollmundig behauptet, in Mecklenburg-Vorpommerns Kindergärten feiere der Radikalenerlass der alten Bundesrepublik fröhliche Urständ, der lebt vermutlich gemütlich in einer Mittel- oder Großstadt mit funktionierender Bürgergesellschaft und hat keine Ahnung, was im Nordosten dieses Landes läuft.

Dort nämlich, auf dem entvölkerten platten Land, haben die Rechten längst viel mehr zu sagen, als aufrechte Demokraten im Adenauer- oder Brandt-Haus sich vorstellen wollen. In einer Region, die die Bundespolitik mangels Wählern verloren gegeben hat, sind es heute die Jugendfeuerwehr oder der Anglerverein, die sich um die Jüngsten kümmern. Und wenn die Ausbilder dort NPD-Mitglieder sind oder die Kitaerzieherin Mitglied im Ring Nationaler Frauen ist – dann haben die Kinder von Kleinkleckersdorf eben Pech? Der Gedanke ist zynisch.

In einem Bundesland wie Mecklenburg-Vorpommern weiß man längst, dass es nicht reicht, auf die viel beschworenen demokratischen Kräfte zu vertrauen. Die müssen erst wieder gestärkt werden, und das würde – unter anderem – Geld kosten. Und gute Politik erfordern. Insofern ist der Erlass von Frau Schwesig auch ein Dokument von Hilflosigkeit und drohendem Scheitern. Aber noch ist es nicht so weit. Und bis dahin soll sich dieses Land gegen die Rechten wehren können. Dass Schwesigs Erlass nicht gegen die Falschen in Stellung gebracht wird – darum können sich ja die Demokraten in Berlin kümmern.

CONTRA

DANIEL SCHULZ leitet das Ressort taz zwei/Medien

Der neue Radikalenerlass für Kitas mag als kämpferische Maßnahme daherkommen, er ist eine Kapitulation.

Wehrhafte Demokratie ist das Schlagwort, mit dem uns solcher Unsinn verkauft wird – so als wäre die Demokratie sonst ein harmloses Lämmchen. Das Wesen der Demokratie ist aber nicht friedlich, sondern kriegerisch. Es besteht im offenen, allerdings verbalen Kampf der Interessen, auch mit den undemokratischen. Wer diesem Kampf ausweicht, vertraut der demokratischen Auseinandersetzung offenbar nicht mehr.

Das gilt für Parteienverbote und auch für Erlasse, wie es sie nun für Kitaerzieher gibt, oder wie Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister sie 2007 schon einmal für die ehrenamtlichen Wahlämter Feuerwehrchef und Dorfbürgermeister verfügt hat. Dieses Zurückweichen kann gerechtfertigt sein, wenn sich der Gegner des demokratischen Systems als zu gefährlich erweist. Das aber ist in Mecklenburg-Vorpommern nicht der Fall. Denn im Land verfügt allein die recht kapitulationsbereite SPD, die neben dem Kita-Erlass bundesweit noch auf ein NPD-Verbot setzt, über mehr als fünfmal so viele Mitglieder wie die etwa 400 Leute starken NPDler. Selbst wenn die Hälfte davon SPD-Karteileichen wären, müssten doch immer noch genug übrig sein, um vor Ort auf Neonazi-Aktivitäten zu reagieren – wenn die Parteien denn die politische Auseinandersetzung suchen würden. Natürlich gibt es auch einige Gegenden, in denen es kaum noch Mitglieder der demokratischen Parteien gibt; in denen Rechtsextreme schon in den Freiwilligen Feuerwehren sitzen, in den Vereinen – trotz aller Erlasse. Wie man mit solchen Regionen umgehen soll, weiß derzeit niemand so recht. Gegenkulturen zu stärken würde helfen – und Geld kosten. Ein aufgesagtes Lippenbekenntnis zur Verfassung ändert dort aber gewiss gar nichts.

Für solch geringe Erfolgsaussichten möchten die Sozialdemokraten ein Mittel ganz nahe an den Berufsverboten der 1970er Jahre anwenden: ein Mittel, bei dem das Risiko besteht, dass es auf andere unbequeme Gruppen ausgedehnt wird.