: Zweifelhafte Härtefallkommission
Als vorletztes Bundesland richtet Niedersachsen ein Gremium für die humanitäre Behandlung von Flüchtlingen ein. Umstritten ist, ob die Kommission deren Situation verbessert – vieler Betroffener wird sie sich gar nicht annehmen
Jetzt fehlt nur noch Bayern. Als vorletztes Bundesland hat Niedersachsen die Einrichtung einer Härtefallkommission beschlossen. Laut dem gestrigen Kabinettsbeschluss soll sie ab September arbeiten. Ob das Gremium tatsächlich humanitärer handeln wird als der bislang agierende Petitionsausschuss des niedersächsischen Landtags, ist jedoch höchst umstritten: Unter den neun Mitgliedern wird sich kein Vertreter von Flüchtlingsorganisationen finden. Auch muslimische oder jüdische Verbände sind ausgeschlossen, „weil es einfach um eine begrenzte Zahl von Mitgliedern gehen soll“, sagte ein Sprecher von Innenminister Uwe Schünemann (CDU). Stattdessen sollen der niedersächsische Landkreis- und der Städtetag, die beiden christlichen Kirchen sowie die Landesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrtspflege je einen Sitz in dem Gremium erhalten.
Für eine Anerkennung als Härtefall wird eine Mehrheit von sechs Stimmen benötigt. Der Städtetag will Oberbürgermeister Herbert Schmalstieg (SPD) aus Hannover entsenden, zudem soll der künftige Auslandsbischof der Evangelischen Kirche Deutschlands Martin Schindehütte, für die Katholiken der Göttinger Jurist Christian Starck im Gremium sitzen. Den Vorsitz wird ein Vertreter des Innenministeriums ohne Stimmrecht übernehmen, zwei weitere Organisationen werden noch benannt. Das Innenministerium hatte angedeutet, dabei könnte es sich um den Arbeitgeberverband oder Gewerkschaften handeln. Der DGB indes hat bereits abgelehnt.
Die SPD brachte gestern die Hoffnung zum Ausdruck, dass „die Flüchtlingspolitik in Niedersachsen jetzt ein bisschen menschlicher“ werde, während die Grünen die Kommission als „Enttäuschung“ bezeichneten. Kai Weber vom niedersächsischen Flüchtlingsrat sprach von einem „Alibi-Gremium“, zu dem die meisten Härtefälle gar nicht zugelassen würden.
So hat sich gerade in Holzminden, der Heimatstadt des Innenministers, eine fünfköpfige Familie aus Montenegro ins Kirchenasyl geflüchtet, weil ihr die Abschiebung droht. Die Muslime leben seit 1994 in Deutschland und gelten als integriert. Aber auch sie würden bei der Kommission kein Gehör finden – die Eltern haben keine Arbeitserlaubnis und sind auf Sozialhilfe angewiesen. Öl goss Schünemann ins Feuer, als er über diesen Fall sagte, wer gegen Gesetze verstoße, könne kein dauerhaftes Bleiberecht erwarten. KAI SCHÖNEBERG