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Archiv-Artikel

Das singende Wolfsrudel

Der VfL Wolfsburg will wieder einen einstelligen Tabellenplatz in der Fußball-Bundesliga erreichen. Dafür müssen die Niedersachsen ein Team finden, das individuelle Schwächen kollektiv ausbügelt

von Lucas Vogelsang

Nach der letzten Katastrophensaison, in der die Mannschaft von Trainer Klaus Augenthaler nur mit Mühe und Not in letzter Minute die Klasse halten konnte, wird beim VfL Wolfsburg wieder gesungen und gelacht. Im Trainingslager in Saalfelden hat Augenthaler Witze erzählt und das Singen von Liedern in seinen Strafenkatalog aufgenommen. Dazu gab es Wildwasser-Touren als Teambuilding-Maßnahme. „Das hat den Teamgeist gefördert und die ohnehin schon gute Stimmung weiter verbessert“, behauptet der Coach.

Gute Laune also in Österreich, wo er seiner Mannschaft eine Woche lang den Feinschliff verpasst hat, taktisch und psychisch. Denn die Niedersachsen stehen vor einer wegweisenden Saison: Der Verein, seit dem Aufstieg 1997 ein angeblich schlafender Riese, will endlich raus aus dem Mittelmaß. Nachdem interne Querelen um Manager Thomas Strunz, Trainerwechsel und Rumpelfußball fast den Abstieg bedeutet hätten, sind die Verantwortlichen überzeugt, in diesem Jahr eine bessere Rolle spielen zu können. „Wir haben ambitioniertere Ziele als in der vergangenen Saison. Wenn alle an einem Strang ziehen, ist ein einstelliger Tabellenplatz möglich,“ definiert Manager Klaus Fuchs das Ziel für 2006/2007.

Doch eigentlich lautet das Zauberwort UEFA-Cup. Neuzugang Jacek Krzynowek, Augenthalers Wunschspieler aus Leverkusen, glaubt, „dass die Mannschaft das Potenzial hat, international zu spielen“. Er habe schließlich den Werksclub gewechselt, um an die Glanzzeiten bei Bayer anzuknüpfen. Also an rauschende Abende in der Champions League, an Real Madrid oder Manchester United. Doch das ist Zukunftsmusik. In Wolfsburg sind alle darauf bedacht, nicht wieder den Fehler vergangener Jahre zu begehen.

Vorrangig ist, die Lücke zu Vereinen wie Hertha oder dem BVB aus Dortmund zu schließen, obwohl es vielen Fans schon reichen würde, am Ende der Saison vor dem ungeliebten Nachbarn aus Hannover zu stehen. Um zumindest mittelfristig wieder um die UEFA-Cup-Plätze mitzuspielen, wurde der Kader einer Generalüberholung unterzogen. Matthias Langkamp, vor einem Jahr mit Vorschusslorbeeren aus Bielefeld gekommen, ist auf der Suche nach einem Stammplatz in die Schweiz geflüchtet, und die ewige Diva aus Buenos Aires, Andres D‘Allessandro, wurde nach Spanien abgeschoben.

Als Ersatz, aber auch als eine Art Traumabewältigungsmaßnahme, haben Augenthaler und Fuchs einen neuen Argentinier geholt, den sie als „einen wie Tim Borowski“ angekündigten und dessen Name wie Musik klingt. Jonathan Santana soll dem ideenarmen Spiel der Wölfe auf der Spielmacherposition hinter den Spitzen neuen Glanz verleihen. 3,5 Millionen Euro wurden investiert, um das Kapitel D‘Allessandro abzuschließen und in der Hoffnung, wieder schönen Fußball in der VfL-Arena zu bieten.

Doch nicht nur Santana und Krzynowek sollen die Qualität der Mannschaft erhöhen. Aus Bielefeld wurde Isaac Boakye losgeeist. Der Ghanaer wird sich, sofern er seine Verletzung auskuriert, die ihn um die WM brachte, in Zukunft mit WM-Teilnehmer Mike Hanke um den Platz neben Sturmführer Diego Klimowicz streiten. Als Ersatz für Leitwolf Stefan Schnoor, der den Verein nach sechs Jahren verlassen musste, wurde Alexander Madlung aus Berlin verpflichtet. Zusammen mit dem neuen Kapitän Kevin Hofland wird er die neue Innenverteidigung bilden. Sollte Madlung es in Wolfsburg schaffen, sein Phlegma abzulegen, werden zumindest die Defensivsorgen der Vergangenheit angehören, denn der Trainer ist sich sicher, „dass er eine Bank in der Innenverteidigung wird“.

Indes bleiben auch nach dem Trainingslager viele Baustellen offen. Der Slowake Miroslav Karhan, im zentralen Mittelfeld eine der Konstanten im Spiel der Wölfe, hat wegen einer Leisten-OP die gesamte Vorbereitung verpasst. Darüber hinaus schwelt abseits des Platzes nach wie vor der Streit zwischen Augenthaler und Führungsspieler Pablo Thiam, dem der Verein fehlende Motivation unterstellte und eine Vertragsauflösung nahe gelegt hat. Und obwohl Stürmerstar Klimowicz nach zähen Verhandlungen zum Bleiben überredet werden konnte, haben die Testspiele gezeigt, dass dem VfL durchschlagskräftige Angreifer fehlen.

Nur wenn es Taktgeber Augenthaler gelingt, die kleinen Brandherde zu löschen und eine Formation zu finden, die individuelle Schwächen im Kollektiv auffängt, werden sie in Wolfsburg auch am Ende der Saison singen können.