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Archiv-Artikel

Lobbyarbeiter für Bundesverbände gehören nicht in den Bundestag Nun geh schon, Göhner

Von 614 Bundestagsabgeordneten sind 32 „gewerkschaftlich engagiert“, hat der DGB gezählt. Bei der SPD sind es 21, in der Linksfraktion neun, und je eineR ist bei Grünen und CDU. Die meisten von ihnen haben ihren Posten als Gewerkschaftssekretär oder sonst wie Hauptamtlicher entweder lange aufgegeben oder lassen ihn ruhen. Doch Linksfraktionär Klaus Ernst zum Beispiel ist nach wie vor 1. Bevollmächtigter der IG-Metall Schweinfurt „in Teilzeit“ geblieben.

Das Arbeitnehmerlager ist also in Gestalt von Gewerkschaftsfunktionären im Bundestag vertreten. Warum sollte sich dann Reinhard Göhner zwischen seinen Posten als CDU-Abgeordneter und als Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände entscheiden müssen? Wenn es hier ums Prinzip geht, spielt Geld keine Rolle. Dass die Interessenvertreter der Arbeitgeber sich aufwändiger vergüten lassen als die der Arbeitnehmer (wenn wir die VW-Altherrenriege kurz ignorieren), liegt in der Natur der Sache, vergrößert aber nicht unbedingt die Abhängigkeit.

Hinter dem Gekabbel darum, wer hier welches Amt aufgeben soll, liegt die Frage, ob Arbeitnehmer-Interessenvertretung eigentlich das Gleiche ist wie Arbeitgeber-Interessenvertretung. Die Antwort ist nein. Der Unterschied liegt in der Struktur der vertretenen Interessen. Arbeitgeberverbände verlangen günstigste Bedingungen zur Gewinnmaximierung. Gewerkschaften dagegen können gar nicht anders, als – zwischen den Tarifrunden – die Bedürfnisse der Mehrheit der Bevölkerung zu berücksichtigen. Ihr Mandat ist breiter, sie organisieren im Gegensatz zum Arbeitgeberlager ein Mehr an gesellschaftlichem Zusammenhalt.

Weil sich dieses Mehr jedoch nicht messen und in Satzungen pressen lässt, zählt im Fall Göhner ein anderer Faktor: die Unmittelbarkeit. Er ist eben kein Schweinfurter. Sondern er steuert auf Bundesebene einen Verband mit, dessen Beschlüsse er auf Bundesebene dann auch gleich in die Unionsberatungen einbringen kann. Das ist zu viel und zu nah. Seine Fraktionskollegen sollten auch ihn zur Entscheidung zwingen. ULRIKE WINKELMANN