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Archiv-Artikel

„Ein Jahr ist akzeptabel“

POFALLA & CO Die Koalition will noch bis zum Frühjahr eine Karenzzeit für wechselwillige Politiker beschließen, erklärt SPD-Fraktionsgeschäftsführerin Christine Lambrecht

Christine Lambrecht

■ Die 48-Jährige ist seit Dezember Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion. Zuvor war sie zwei Jahre lang Fraktionsvize.

INTERVIEW STEFAN REINECKE

taz: Frau Lambrecht, war Ihnen langweilig letzte Woche?

Christine Lambrecht: Ganz bestimmt nicht.

Beobachtern im Bundestag schon. Die Opposition hatte bei der dreieinhalbstündigen Generaldebatte nur eine gute halbe Stunde Zeit zur Gegenrede. Veröden die Debatten?

Die Redezeit richtet sich nach dem Wahlergebnis. Und wir sind der Opposition in einigen Punkten schon sehr entgegengekommen. Die Linkspartei ist mit der jetzigen Regelung einverstanden. Außerdem kommt es doch mehr darauf an, wie die Opposition auftritt: selbstbewusst oder jammernd über die eigene Schwäche.

Führen 80 Prozent Regierungsmehrheit nicht automatisch dazu, dass Union und SPD Selbstgespräche führen?

Ich finde: Redner, die ihre Argumente auf den Punkt bringen, werden wahrgenommen, egal ob sie 4, 7 oder 15 Minuten sprechen. Ich bin seit 1998 im Bundestag und erinnere mich eher an kurze, prägnante Reden als an längere. Der Opposition fehlt es weniger an Redezeit, sondern eher an Inhalten.

Die Opposition fordert, dass ihr das Recht, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, gesetzlich verbrieft wird. Warum sperren Sie sich dagegen?

Also: Zuerst gab es die Idee, dieses Recht per Beschluss des Bundestages zu fixieren. Das reichte der Opposition nicht. Jetzt haben wir angeboten, dafür die Geschäftsordnung des Bundestages zu ändern. Damit schienen die Grünen einverstanden zu sein. Nun reicht es doch nicht, und sie satteln noch mal drauf. Ich will das jetzt rasch regeln. Dann wird sich zeigen: In der Praxis wird der Opposition niemand ihre Rechte streitig machen.

Wann gibt es eine Einigung?

Schnell. Wir werden auf die Opposition in dieser Woche zugehen. Ich will das Thema nicht wegdrücken. Aber die Bürger haben ein Recht darauf, dass sich das Parlament mit ihnen, mit Rente und Energiewende befasst – und nicht mit sich selbst.

Der Test für das Verhältnis zur Opposition ist der NSA-Untersuchungsausschuss. Für den gibt es Anträge von Union und SPD und von Linkspartei und Grünen. Die Opposition will die Beteiligung deutscher Behörden klären. Einverstanden?

Das ist auch in unserem Entwurf enthalten. Insgesamt ist unser Antrag zielgenauer und geht an einigen Stellen über den der Opposition hinaus. Deswegen bin ich optimistisch, dass wir uns auf dieser Grundlage auf einen gemeinsamen Antrag aller Fraktionen einigen werden. Das wäre dem Thema auch angemessen.

Wird die Opposition das Recht haben, Zeugen wie Edward Snowden zu laden?

Natürlich wird sie das Recht haben, wie jede Opposition vor ihr auch, Zeugen zu benennen. Da wird es keinen Unterschied geben.

Mies für das Image von Politikern ist der fliegende Wechsel in die Wirtschaft: etwa im Fall Pofalla und zu Klaeden. Die Große Koalition hat sich nun zu einer Karenzzeit von einem Jahr für Exregierungsmitglieder durchgerungen. Reicht das?

Das ist der Kompromiss mit der Union. Die SPD wollte 18 Monate. Aber: Ein Jahr ist akzeptabel. Auch so kann man verhindern, dass Minister und Staatssekretäre wegen ihrer Insiderkenntnisse und Kontakte von Wirtschaftsunternehmen angeheuert werden. Da nutzt eine Auszeit von einem Jahr schon, um Interessenkollisionen zu vermeiden.

Wann kommt diese Regelung?

Die Regelung kommt zügig. Im Frühjahr.

Deutschland hat die UN-Konvention gegen Korruption nicht ratifiziert. Der Bundestag kann sich seit zehn Jahren nicht dazu durchringen, dass Abgeordnetenbestechung strafbar wäre …

Das ist unerträglich. Wir werden die Bestechung von Amtsträgern strafgesetzlich regeln. Spätestens bis zum Sommer, eher früher.

Der wichtigste Baustein zur Korruptionsbekämpfung ist ein Lobbyregister. Nur so erfährt die Öffentlichkeit, wer in Berlin welche Interessen vertritt. Dazu steht im Koalitionsvertrag kein Wort.

Erst mal, Lobbyismus ist nichts Verwerfliches. Wir Politiker nutzen Lobbyisten, um uns zu informieren – egal ob von Wirtschaftsverbänden oder von Greenpeace. Aber wir brauchen mehr Transparenz, wer sich für welche Verbände und Unternehmen einsetzt. Also ein Lobbyregister.