: In Damaskus laufen die Fäden des Konflikts zusammen
Syriens Präsident Baschar al-Assad hat beste Kontakte zu den anderen „Schurken“ im großen Nahostspiel: Iran, Hisbollah und Hamas. Er könnte seinen Einfluss nutzen
Damaskus taz ■ „Wir müssen Druck auf Syrien ausüben, damit es die Hisbollah dazu bringt, mit diesem Scheiß aufzuhören“, meint US-Präsident George W. Bush. Doch so einfach ist es nicht. Syrien sei bereit, zu vermitteln, so Vizeaußenminister Faisal Maqdad, aber Damaskus könne nicht einfach zum Telefon greifen und die Hisbollah zurückpfeifen. Die Beziehungen zwischen den von den USA und Israel als Schurken ausgemachten Akteuren – Syrien, Iran, Hisbollah und Hamas – sind komplizierter, als Washington es gerne hätte.
Zunächst haben die vier nicht viel gemein. Syrien: ein säkulares Einparteienregime; Iran: ein islamischer Gottesstaat mit demokratischen Elementen. Die libanesische Hisbollah folgt der schiitischen Ideologie von Irans Revolutionsführer Chomeini, die palästinensische Hamas hat ihre Wurzeln bei den sunnitischen Muslimbrüdern. Was alle eint, ist die Feindschaft zu Israel – und das Gefühl, der Westen habe sie im Stich gelassen. So entstand ein Zweckbündnis, dessen Fäden nicht nur geografisch in Damaskus zusammenlaufen.
Die syrische Hauptstadt ist der einzige Ort, an dem sich Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad, Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah, Hamas-Politbürochef Chaled Maschaal und Syriens Präsident Baschar al-Assad ungestört treffen können. Zuletzt trafen sich die vier „Schurken“ im Januar. Sie kritisierten den Druck der USA auf Iran und Syrien, bestärkten Palästinenser und Libanesen in ihrem Recht auf Widerstand gegen Israel und beschlossen, angesichts der „zionistisch-amerikanischen Agression“ eine gemeinsame Front zu bilden.
Ein Hinweis auf gemeinsam geplante Aktionen? Wohl kaum. Zu stark sind Hisbollah und Hamas in ihren Ländern. Für Entführungen von Soldaten brauchen Nasrallah und Maschaal weder das Okay aus Damaskus noch einen Befehl aus Teheran. Sie werden ihre Verbündeten allenfalls informieren.
Die beiden islamistischen Gruppen können sich auf Unterstützung aus Syrien und Iran verlassen. Teheran versorgt die Hisbollah mit Geld und Waffen, die mit syrischer Hilfe den Südlibanon erreichen, Syrien gewährt Hamas-Funktionären Unterschlupf. Aber beide Parteien sind auch ohne ihre Schutzmächte überlebensfähig. Die Popularität ihrer Politiker und der ungleiche Kampf gegen die israelische Besatzungsmacht bringen ihnen in der arabischen und islamischen Welt Sympathien und Spenden ein. Der Einfluss Syriens ist deshalb begrenzt. Dass die Fäden in Damaskus zusammenlaufen, bedeutet nicht, dass Assad sie auch in der Hand hält. Assad hat den Konflikt nicht herbeigeführt – aber er profitiert von ihm so gut er kann. Während Israel Beirut zerstört, empfängt Syrien seine flüchtenden libanesischen „Brüder“ mit offenen Armen. Außerdem verhindern Raketen ein Friedensabkommen zwischen Libanon und Israel – ein entscheidender Punkt für Syrien. Schließlich ist dessen Staatsgebiet auf dem Golan bis heute von Israel besetzt. Wer Syrien als Vermittler gewinnen und von Assads guten Kontakten nach Teheran, zu Hisbollah und Hamas profitieren will, muss den Golan ins Spiel bringen. Ohne Zuckerbrot hat Damaskus keinen Grund, mäßigend auf die Konfliktparteien einzuwirken. KRISTIN HELBERG