: Mietwohnungen zwischen Bank und Börse
Der nordrhein-westfälische Wohnungsmarkt wird massiv durcheinander gewirbelt. Ein Überblick
Gagfah: Das Essener Wohnungsunternehmen ist seit zwei Jahren im Besitz des US-Finanzinvestors Fortress. Die Fondsgesellschaft kaufte Gagfah der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) ab. Von den 80.000 Wohnungen steht die Hälfte in NRW. 2,123 Milliarden Euro kostete der Deal. Nach dem Kauf der Dresdner städtischen Wohnungsgesellschaft Woba und dem niedersächsischen Wohnungsunternehmen Nileg besitzt Fortress 160.000 Wohnungen. Der Konzern will die Immobilienholding im Oktober an die Börse bringen.
LEG: Die Landesentwicklungsgesellschaft NRW (LEG) soll verkauft werden. Mit im Paket: 106.000 Mietwohnungen. Die WestLB und die Kölner Privatbank Sal. Oppenheim sollen die Landesregierung bei der geplanten Privatisierung beraten. Es ist auch möglich, dass nur die Wohnungssparte veräußert werden soll. Das Kabinett will nach der Sommerpause eine Entscheidung über die Zukunft der LEG fällen.
RAG-Immobilien: Die Tochter der Essener RAG-AG soll an die Börse – unter dem Dach des RAG-Konzerns. Das Unternehmen soll bis dahin einen neuen Namen bekommen. Der Börsengang des so genannten weißen Bereichs der RAG aus Energie (Steag), Chemie (Degussa) und Mietwohnungen (RAG-Immobilien) soll laut Konzernvorgaben im II. Quartal 2007 vollzogen werden. NRW-Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU) lässt derzeit prüfen, ob der Börsengang der drei einzelnen Sparten nicht viel mehr Geld einbringen könnte als der Börsengang des gesamten RAG-Konzerns. Für RAG-Immobilien könnte das bedeuten, dass der Konzern mit seinen 80.000 Wohnungen an einen internationalen Investmentbanker verkauft wird.
Deutsche Annington: Das Bochumer Immobilienunternehmen will 2008 an die Börse. Die Tochter der britischen Terra Firma entwickelte sich in den vergangenen zwei Jahren zum größten Immobilienunternehmen Deutschlands. 230.000 Wohnungen gehören der Annington. Vor allem der Erwerb des Essener Immobilienkonzerns viterra mit seinen knapp 150.000 Wohnungen brachte die Deutsche Annington nach vorne. Sieben Milliarden Euro bekam der Energiekonzern E.on für den Deal. Innerhalb der kommenden fünf Jahre will das Unternehmen seinen Wohnungsbestand verdoppeln. Mit auf der Agenda: die 106.000 Wohnungen der LEG.
ThyssenKrupp: 48.000 Wohnungen wechselten im vergangenen Jahr zum US-amerikanischen Investmentbanker Morgan Stanley. 2,1 Milliarden zahlte die Fondsgesellschaft an den ehemals in Düsseldorf, demnächst wieder in Essen beheimateten Konzern. Wie Annington, Fortress und Co hat auch Morgan Stanley Interesse an der LEG bekundet.
Die Kritik: Ein Bündnis aus Mieterverbänden und Gewerkschaften will den Verkauf verhindern. Am 27. Juni startete die Volksinitiative. 66.000 Unterschriften müssen her. SPD, Grüne und Linkspartei unterstützen die Initiative. Die Mieterschützer befürchten, dass die Fondsgesellschaften „die regionale Wohnungs- und Dienstleistungsmärkte beherrschen und Wohnraum zur globalen Handelsware machen“ wollen. „Damit die Gewinne stimmen, würden Belegschaften ausgedünnt, Mieten erhöht, Modernisierung und Instandsetzung zurückgestellt, Grünflächen bebaut und privatisiert, Sozialprogramme und Betreuungskonzepte heruntergefahren und Mietwohnungen in großem Umfang als Einzeleigentum verkauft“, heißt es auf der homepage www.volksinitiative-leg.de
HOLGER PAULER