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Archiv-Artikel

Farbflecken im Einheitsgrau

DDR Eine Filmreihe im Zeughauskino zeigt Beispiele ungewöhnlicher Farbgestaltung im Defa-Kino. Ob Nationalstolz oder stalinistische Heldenepen: man kolorierte gezielt für ideologische Botschaften

In der DDR wurde wegen der allgemeinen Rohstoffarmut auch beim Film gespart

VON CLAUS LÖSER

In gewisser Weise war Orwo-Color das adäquate Farbverfahren zur Ablichtung der DDR-Realität. So wie auf den Stadtlandschaften meist ein grauer Nebelschleier aus Industrieabgasen und Ofenheizungen lag, so wirkten die Filme der Defa immer ein wenig entfärbt. Es dominierten Schattierungen zwischen Graublau, Ocker und Rotbraun.

Für dieses eher graue als bunte Spektrum gab es zwei Gründe. Zum einen basierten die Farben von Orwo auf dem während der Nazizeit zur Kinotauglichkeit entwickeltem Agfacolor-Verfahren, das im Vergleich mit den US-amerikanischen Farben von Eastman oder gar Technicolor weit weniger brillant ausfiel. Zum anderen wurde in der DDR wegen der allgemeinen Rohstoffarmut auch beim Film gespart. Die für die Farbigkeit notwendigen Silberanteile in der Emulsionsschicht waren auf ein gerade noch nötiges Maß reduziert, so dass intensive Farbtöne sehr schwer zu erreichen waren.

Ausgerechnet das aus ideologischen Gründen so wichtige Rot fiel oft unbefriedigend aus. Als Kurt Maetzig seinen 1954 fertiggestellten Thälmann-Film „Sohn seiner Klasse“ drehte, wurden ihm daher von höchster Stelle hohe Devisenbeträge zur Verfügung gestellt. Die in diesem hyperstalinistischen Heldenepos massenhaft im Wind flatternden Arbeiterfahnen wurden mit Filmmaterial aus dem Westen aufgenommen. In der im Zeughauskino gezeigten Reihe „Defa in Farbe“ sind beide Teile von Maetzigs großzügig mit historischen Fakten umgehenden, quasireligiösen Heroisierung zu sehen. Daneben laufen weitere zwölf abendfüllende Spiel- und Dokumentarfilme sowie drei Programme mit Kurzfilmen. Allen Werken ist ein ungewöhnlicher Ansatz in der Farbgestaltung gemein – als Versuch, den ungünstigen technischen Voraussetzungen visuelle Originalität entgegenzusetzen.

Nach der Gründung der Defa im Mai 1946 waren erst einmal gar keine Farbfilme realisierbar. Die Russen hatten Teile der Kopierstraße demontiert und nebst einigen Spezialisten als Kriegstrophäe außer Landes verbracht. Doch 1950 konnte die farbige Filmproduktion in der jungen DDR wieder anlaufen. Ein frühes Beispiel ist der einstündige „Immer bereit“ (Regie: Kurt Maetzig und Feodor Pappe), der sich dem 1. Deutschlandtreffen der FDJ in Ost-Berlin widmet.

1954 entstand mit „Katzenmusik“ von Lothar Barke der erste Defa-Trickfilm in Farbe – eine nicht ohne faschistoide Untertöne auskommende Abrechnung mit der westlichen Unsitte des Rock ’n’ Roll. Ebenfalls sehenswert, weil selten auf der Leinwand und nie im Fernsehen präsent, sind zwei Propagandafilme, in denen Farben gezielt für ideologische Botschaften eingesetzt werden. „China – Land zwischen gestern und morgen“ (1957) preist das maoistische Aufbauwerk als orgiastischen Rausch. „Du bist min. Ein deutsches Tagebuch“ von Annelie und Andrew Thorndike wurde 1969 sogar auf 70 Millimeter gedreht.

In exzessiven Luftaufnahmen sollte ein eigenständiges DDR-Nationalgefühl beschworen, der Stolz auf das Geschaffte und die Zuversicht in Kommendes vermittelt werden. Den landschaftlichen und baulichen Schönheiten im Osten, auch den Großbaustellen und den darin schaffenden, optimistischen Menschen wurde ein trister Westen mit Massenarbeitslosigkeit und allgegenwärtigen Neofaschisten entgegengehalten.

Ein besonders kurioses Beispiel für die politische Eigendynamik der Farbgestaltung ist die 1957 als Koproduktion zwischen Schweden und der DDR entstandene Gesellschaftsparabel „Spielbank-Affäre“. Der mondän ausgestattete Film (Regie: Arthur Pohl) schildert betrügerische Machenschaften in einem westdeutschen Kurort. Eigentlich als Einstieg der Defa in den westeuropäischen Filmmarkt konzipiert, geriet das Projekt zum Desaster. Bei der Abnahme erschienen den Kulturfunktionären die Schauplätze und Kostüme einfach zu verlockend, als dass der kritische Ansatz noch hätte wirksam werden können. So trafen sie eine ausgesprochen ernüchternde Entscheidung: „Spielbank-Affäre“ wurde in der DDR nur in Schwarzweiß in die Kinos gebracht.

■ „Defa in Farbe“: bis 30. 3., Zeughauskino