: Solidarisch sein heißt früh aufstehen
Für fünf Potsdamer Antifas, die ab September wegen Körperverletzung vor Gericht stehen, formiert sich Unterstützung
Auf den T-Shirts steht nur ein Wort: „Gewaltspirale“. Dabei handelt es sich nicht um eine neue Band. Petra und Klaus, die ihren vollen Namen nicht nennen wollten, sind Mitglieder der „Soligruppe Potsdam“. Die T-Shirts verkauften sie am Donnerstagabend auf einer Infoveranstaltung in Friedrichshain. Mit dem Erlös soll ein Teil der Kosten gedeckt werden, die für Öffentlichkeitsarbeit und beim Prozess gegen fünf Potsdamer AntifaschistInnen anfallen.
Das Verfahren beginnt am 7. September vor dem Potsdamer Landgericht. 12 Prozesstage – jeweils Montag um 9 Uhr und Mittwoch um 13.15 Uhr – hat das Gericht anberaumt. Die AnwältInnen der Angeklagten schließen nicht aus, dass er länger dauern wird. Mit Überraschungen ist bei diesen Verfahren, das schon seit einem Jahr für Schlagzeilen sorgt, auf jeden Fall zu rechnen.
Die fünf Antifas waren im Juni 2005 in der Potsdamer Innenstadt festgenommen worden, nachdem ein stadtbekannter Neonazi bei einer Auseinandersetzung eine 4 Zentimeter lange Platzwunde davongetragen hatte. Der Mann wurde ambulant behandelt und fiel schon am nächsten Tag auf einem Stadtfest durch rassistische Pöbeleien auf. Deshalb war die Überraschung groß, als gegen die fünf AntifaschistInnen wegen versuchten Mordes ermittelt wurde. Die Älteste, Julia S., saß aufgrund des Tatvorwurfs fünf Monate in Untersuchungshaft (taz berichtete).
Der Mordvorwurf stützte sich laut Soligruppe auf die Einschätzung des damals ermittelnden Staatsanwaltes Peter Petersen, die Täter beabsichtigten als AntifaschistInnen den Tod eines Nazis jederzeit – oder nähmen ihn wenigstens billigend in Kauf. Auf die Schwere der Verletzung komme es dabei gar nicht an.
„Antifaschismus ist notwendig und nicht kriminell“, war daraufhin die Parole der Soligruppe. Sie fand damit in Teilen der linken und liberalen Öffentlichkeit Gehör. In einem offenen Brief setzten sich neben Brandenburger Landtagsabgeordneten von Linkspartei und Grünen auch Potsdamer KünsterlerInnen und WissenschaftlerInnen für die Freilassung von Julia S. und gegen die Kriminalisierung von Antifas ein. Im November 2005 kam Julia S. frei.
Der Anklagepunkt der versuchten Tötung wurde fallen gelassen, als ein juristisches Gutachten zum Schluss gekommen war, dass es dafür keine Anhaltspunkte gab. Jetzt sind die Antifaschisten wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt.
Rechter Szeneanwalt vertritt die Nebenklage
Die Soligruppe will trotzdem massiv anlässlich der Prozesse mobilisieren. Eine Gruppe, zu der auch Bundestagsabgeordnete von Linkspartei und Grünen gehören, soll den Prozess beobachten. Denn auch bei dem neuen Anklagepunkt können längere Haftstrafen verhängt werden.
Und noch ein Grund: Wolfram Nahrath, der Rechtsanwalt des Opfers, das als Nebenkläger am Prozess teilnimmt. Nahrath, ehemaliger Vorsitzender der Wikingjugend, spricht auch nach dem Verbot dieser Organisation häufig auf Veranstaltungen der NPD und anderer rechter Gruppen. Das Potsdamer Landgericht dürfte ihm vertraut sein. Schließlich hat er dort einen der 15 Neonazis verteidigt, die kürzlich mehrere Wochen lang wegen des Überfalls auf zwei Antifas vor Gericht standen. Schon wegen der Anwesenheit des rechten Szeneanwalts Nahrath rechnet die Soligruppe mit einem verstärkten Interesse rechter Kreise an dem Prozess gegen die fünf AntifaschistInnen. Petra aus der Gruppe rät: „Früh aufstehen und pünktlich sein. Wer zuerst da ist, kommt in den Gerichtssaal.“ PETER NOWAK