: Freaks, Linke, Flaschensammler
Am Samstag zog die Fuckparade durch die Stadt. Trotz der bunten Mischung wird sie immer mehr zur normalen Demo
Die Fuckparade ist eine politische Demonstration. Auch von der Berliner Versammlungsbehörde wurde dem Techno-Umzug am letzten Samstag noch kurzfristig dieser Status zugesichert. Die diesjährige Fuckparade tat dann auch einiges dafür, den Ansprüchen für einen Demonstrationsstatus gerecht zu werden. 15 Redebeiträge wurden angekündigt und gegen Ende des Umzugs, als man in unmittelbarer Nähe zum halb abgerissenen Palast der Republik die Wagen mit den DJ-Kanzeln zur „Abschlusskundgebung“ parkte, wurden nochmals jede Menge Reden gegen dies und das geschwungen. Auch für die Schmückung der Wagen reichte es nicht mehr, vor allem bunt und verrückt zu wirken, sondern es mussten echte Aussagen her.
Früher dachte man, bei der Fuckparade reiche es aus, zu Ballerbeats irre zu tanzen, um ein Nichteinverstandensein mit einer genormten Konsensgesellschaft zu demonstrieren. Dieses Jahr herrschte Zwangspolitisierung. „Gegen Nazis – egal in welcher Uniform“, „Für den Ausbau der Zwischennutzung“, „Gegen Privatisierung öffentlicher Räume“, konnte man auf den Transparenten lesen.
Der Erfinder und Ausrichter der Fuckparade, Trauma XP, hat einen politischen Anspruch, den hat er immer schon gehabt. Er tritt ein für den Erhalt öffentlicher Räume und für eine vielfältige Clubkultur. Ursprünglich ging es vor allem gegen die Loveparade als Ausdruck einer Kommerzialisierung von Techno. Die Loveparade steht inzwischen für nichts mehr außer für sich selbst und ist somit kein echter Gegner mehr. Stattdessen geht es nun vorrangig darum, das subkulturelle Berlin zu repräsentieren – obwohl oder gerade weil die Stadt es der Veranstaltung nun wirklich nicht immer leicht gemacht hat. Von der Auflage, nur leise Musik spielen zu dürfen, bis hin zur Ansage, gar keine Musik spielen zu dürfen, war da alles an Schikanen dabei. Dennoch droht die Fuckparade langsam zu einer normalen Demo zu verkommen, samt all den öden Demo-Ritualen. Parolen werden skandiert, Flugblätter verteilt. Später betont Trauma XP in seiner Rede gar die „Pflicht, zu demonstrieren“.
Inwieweit dieser Anspruch etwas mit dem der Gabba- und Hardcore-Techno-Freunde zu tun hat, ist äußerst zweifelhaft. Fuckparade-Besucher wollen im Normalfall Musik hören und keine Reden. Auf ihren T-Shirts konnte man das Übliche lesen wie „100 % Terror“ und herrlich sinnfreien Quatsch wie „Will Fuck For Coke“, „Prototypen Gottes – zur Serienproduktion nicht freigegeben“ oder schlichtweg „negativ dekadent“.
Natürlich ergibt sich aus der Diskrepanz zwischen echt linkspolitischem Anspruch und der Lust, einfach nur nachmittags schon Drogen zu schmeißen und eine gute Zeit zu haben, auch wieder eine reizvolle Mischung. Die kaputten Freaks neben den Linken, die sich eifrig für das besetzte Haus Bethanien einsetzen. Zwischen den Feiernden und Demonstrierenden machten dann noch Flaschensammler jeder Altersklasse, das neue Berliner Subproletariat, darauf aufmerksam, dass vielleicht wirklich nicht alles optimal läuft in dieser Stadt. ANDREAS HARTMANN