: Warnung vor einem Bürgerkrieg in Georgien
Nach der Vertreibung des Warlords aus dem Kodori-Tal ist die Gefahr militärischer Auseinandersetzungen zwischen Georgien und der abtrünnigen Republik Abchasien keinesfalls gebannt. Druck auf Opposition in Georgien wächst
BERLIN taz ■ Im Kodori-Tal, an der Grenze Georgiens zur abtrünnigen Republik Abchasien, scheint es wieder ruhig zu sein. Dort hatte Warlord Emzar Kwitsiani, seit Ende des Bürgerkrieges 1994 unumstrittener Herrscher des oberen Kodori-Tals, Anfang letzter Woche die Unabhängigkeit des Tals von Georgien verkündet. Der unter Teil des Tals wird seit dem Bürgerkrieg von Abchasien kontrolliert. Nach einer „Sonderoperation“ georgischer Truppen in der vergangenen Woche ist Kwitsiani geflohen, das obere Tal wieder in georgischer Hand. Die Operation gilt offiziell als erfolgreich beendet, die ersten Truppen sollen das Tal bereits wieder verlassen haben. Lediglich in den Wäldern sollen sich noch ungefähr 70 Angehörige der „Bande von Kwitsiani“ verstecken, deswegen könnten derzeit noch nicht alle Einheiten wieder abgezogen werden. Journalisten ist der Zugang zum Tal nach wie vor versperrt. In Georgiens Hauptstadt Tbilisi herrscht Siegesstimmung.
Doch die Ruhe ist brüchig, ein Krieg zwischen Abchasien und Georgien wird nicht mehr ausgeschlossen. Durch die Einnahme des oberen Kodori-Tals sind die georgischen Truppen der abchasischen Hauptstadt Suchumi gefährlich nahe gekommen. Im Kodori-Tal stehen sich jetzt abchasische und georgische Truppen direkt gegenüber. Sollte Georgiens Präsident Saakaschwili die angekündigte Verlegung der abchasischen Exilregierung von Tbilisi in das Kodori-Tal wahrmachen, gibt es Krieg, warnt Sergei Schamba, Außenminister der nicht anerkannten Republik Abchasien.
Die von Georgien kontrollierte abchasische Exilregierung gilt als besonders unversöhnlich und hat sich stets für eine militärische Lösung des Konflikts stark gemacht. Im zweijährigen Bürgerkrieges von 1992 bis 1994 hatte sich das abchasische Parlament gespalten. Die georgischen Deputierten waren nach Tbilisi geflohen, wo sie ein Exilparlament und eine Exilregierung bildeten. Chef der Exilregierung ist Abchasiens Exfinanzminister Malchas Akischbaja.
Unterdessen wächst in Tbilisi der Druck auf die Opposition, die die Aktion im Kodori-Tal abgelehnt hatte. Am Samstag wurde ein führender Oppositionspolitiker, Irakli Batiaschwili, verhaftet. Batiaschwili, Chef der Partei „Vorwärts Georgien“, ist ehemaliger Minister für Staatssicherheit und war in der letzten Legislaturperiode Vorsitzender des Verteidigungsausschusses im georgischen Parlament.
Vorgeworfen wird dem Oppositionspolitiker ein Telefonat, das er mit dem Separatistenführer Kwitsiani vergangene Woche geführt und das der georgische Geheimdienst abgehört hatte. Bei diesem Gespräch soll Kwitsiani gesagt haben, das ihm das abchasische Verteidigungsministerium Unterstützung angeboten habe. Auch habe Batiaschwili in diesem Gespräch dem Aufständischen Mut gemacht.
Die Staatsanwaltschaft wirft dem ehemaligen Sicherheitsminister vor, er habe sich so der „intellektuellen Unterstützung eines Aufstands gegen den Staat“ schuldig gemacht. Außerdem hätte er die Behörden über sein Telefonat informieren müssen. Batiaschwili drohen nun bis zu 20 Jahren Haft. Batiaschwili gibt zu, mit dem Aufständischen telefoniert zu haben, betont jedoch, dass wichtige Stellen des Telefonats herausgeschnitten worden seien. Batiaschwili ist zurzeit im Untersuchungsgefängnis des Innenministeriums.
Ebenfalls verhaftet wurde die Schwester von Emzar Kwitsiani, Nora. Ihr wird unerlaubter Waffenbesitz vorgeworfen. Bei einer Verurteilung droht ihr eine Haftstrafe von drei bis fünf Jahren. Nora Kwitsiani hatte Journalisten gegenüber während der Sonderoperation über Luftangriffe berichtet, bei denen eine Frau getötet worden war.
BERNHARD CLASEN