Zwischen Geld und Anspruch

Das Land NRW baut seine Forschungslandschaft um: Außeruniversitäre Institute sollen in die Unis integriert werden. Nicht allen wird dabei das Geld gestrichen. „Neue politische Akzente“

VON MIRIAM BUNJES

Das Forschungsinstitut Arbeit, Bildung, Partizipation (FIAB) in Recklinghausen bekommt im Dezember zum letzten Mal Geld vom Land NRW. Ob es im nächsten Jahr weiterforschen kann, weiß Institutsdirektorin Karin Derichs-Kunstmann noch nicht – eben so wenig wie die meisten der anderen 20 nordrhein-westfälischen Forschungsinstitute ohne direkten Uni-Anschluss. Aus deren Finanzierung will sich das Land nach taz-Informationen bis spätestens 2009 ganz zurückziehen. Die Institute sollen sich möglichst den Hochschulen anschließen. „Wenn das nicht klappt, kann man davon ausgehen, dass sie sowieso nicht zukunftsfähig sind“, sagte Forschungsminister Pinkwart im April zur taz.

Das FIAB forscht zu Globalisierung, Zukunft der Arbeit, sozialer und politischer Partizipation. Fast 70 Prozent ihrer Forschungsgelder treibt das Institut selber ein.

Künftig werden die Recklinghausener ForscherInnen aber wohl ausschließlich Auftragsforschung machen. „Wissenschaftlich ist das ein Rückschlag: Grundlagenforschung ist für Geldgeber deutlich weniger interessant“, sagt Derichs-Kunstmann.

Dass die Sparpläne des Landes ihr Institut besonders hart treffen, hält die Sozialwissenschaftlerin für keinen Zufall. Die Landesregierung setze andere politische Akzente. Auf Forschung mit Arbeitnehmer-Perspektive würde von einer schwarz-gelben Regierung weniger Wert gelegt.

„Alle Institute werden das sicherlich nicht überleben“, sagt Matthias Knuth, wissenschaftlicher Geschäftsführer des IAT. Es sei sehr schwierig für eine Universität ein interdisziplinäres Institut wie das IAT zu übernehmen. „Die Unis planen in Fakultäten. Bei uns sind wie bei den meisten freien Instituten die Fachrichtungen bunt durchmischt“, sagt Knuth.

Weil keine Uni das ganze IAT wollte, wird das Gelsenkirchener Institut bis zum Jahresende aufgeteilt: Zwei Drittel der rund 45 Mitarbeiter gehen zur Fachhochschule Gelsenkirchen, die sich vor allem für die Fachschwerpunkte Gesundheitswirtschaft und innovative Räume interessierte. Der Rest der Mitarbeiter geht an die Uni Duisburg-Essen. „IAT heißt dann wahrscheinlich nur noch die Gelsenkirchener Hälfte“, sagt Knuth. Das Geld für die Mitarbeiterstellen zahlt weiterhin das Land – an die beiden Hochschulen. „Sehr viel spart das Land durch unsere Zerschlagung also de facto nicht“, sagt Knuth. „Es ist eben eine ordnungspolitische Frage.“

Auch er ist davon überzeugt, dass die Forschungslandschaft 2009 eine andere politische Färbung haben wird. „In den 90er Jahren standen die Auswirkung von Arbeit und Technik auf den Menschen im Mittelpunkt“, sagt er. „Unter Schwarz-Gelb sehen die Zeichen der Zeit anders aus.“

„Alle müssen lernen, Forschung ökonomischer zu betreiben“, so beschreibt Hans-Werner Franz, Geschäftsführer der Dortmunder Sozialforschungsstelle, die Zeichen der schwarz-gelben Zeit. Das Landesinstitut schließt sich Anfang nächsten Jahres an die Uni Dortmund an. „Wir machen fast ausschließlich Auftragsforschung, deshalb sind wir für jede Universität auch ein finanzieller Gewinn.“

Das bundesweit anerkannte Wuppertaler Institut für Klima, Umwelt und Energie – mit fast 140 MitarbeiterInnen das größte Landesinstitut – hält eine derartige Forschungsausrichtung für eine Milchmädchenrechnung.

„Wissenschaft funktioniert nicht ohne Sockelfinanzierung“, sagt Institutspräsident Peter Hennicke. „Für jeden Euro, den das Land uns gibt, akquirieren wir drei Euro Drittmittel. Dadurch schaffen wir Geld und Arbeitsplätze nach Nordrhein-Westfalen.“ Das Wuppertaler Institut hat sich noch keiner Uni angeschlossen, sondern hofft auf Einsicht beim Wissenschaftsminister. „Hier zu kürzen, ist kurzsichtig.“