piwik no script img

Archiv-Artikel

Authentische Stimme der Jugend

Einzigartiges Jugendarchiv ist gefährdet

VON ROLF LAUTENSCHLÄGER

Geht es um Berlin und seine Affinität zum Jungen, Wilden, zu Musik, Mode und Subkulturen, heben die Kultur- und Bildungspolitiker sowie Marketingstrategen der Stadt ihre Zeigefinger immer ganz weit hoch. „Be Berlin“ ist „be young“. Da ist es schon fast paradox, dass sich ebenjene bei der Unterstützung des einzigen deutschen, ja europäischen Forschungslabors für Jugendkulturen wegducken, wenn dieses ums Überleben kämpft und Hilfe fordert. Das kann nicht sein.

Warum? Weil das „Archiv für Jugendkulturen“, dessen Weiterbestand gefährdet ist, wie kaum ein anderes die soziokulturelle Stadtentwicklung der vergangenen 20 Jahre widerspiegelt. Wer es als Punk in der Provinz nicht mehr aushielt und nach Berlin zog, wer Musik, Partys oder gar Randale gemacht hat und warum, findet sich hier –gänzlich unpolizeilich registriert – in seinen schrillen Erscheinungsformen dokumentiert.

Einen größeren Fundus gibt es kaum: Wer Bushido ist, was Gangsta, Hiphopper, Punks, Grufties, Rapper und Raver sind, worauf Jugendliche stehen, wohin es die Migrantenkids zieht, aber auch in welchen Comics der Rechtsextremismus lauert und welchem Kommerz die Jugend erliegt, hat das Archiv in seinen zwölf Jahren Existenz gebündelt. Zigtausende Zeitschriften, Zeitungsausschnitte, Fotos, Bücher und wissenschaftliche Arbeiten umfasst der Bestand. Was für ein Schatz!

Es ist höchste Zeit, dass sich das Land Berlin und der Bund der Bedeutung dieses Schatzes bewusst werden. Die Institution muss auf eine feste finanzielle Basis gestellt werden – sei es per Stiftungskapital, sei es per strukturelle Förderung. Dies wäre der erste wichtige Schritt zur Sicherung des Archivs und seiner Arbeit. Die Sammlung und Forschung zu pflegen – wie bei anderen großen Archiven auch – sollte der zweite sein.

Einen Mehrwert für die Geldgeber hätte dieser Akt auch. Das Archiv der Jugendkulturen ist ein Aufklärungsinstrument. Lassen sich doch gerade in diesem „Jugendgedächtnis“ mehr Gründe und Ursachen für die oft beklagte Null-Bock-Mentalität der Kids und ihre wahren Interessen finden als auf drögen Parteitagen oder in Regierungserklärungen. Die Sprache der Jugend ist hier authentisch und damit ein erhaltenswertes Zeitzeichen.

Bericht SEITE 22