piwik no script img

Archiv-Artikel

Wie Jesus den Satan bekämpft

Hildesheim befindet sich offenbar im Bann von Dämonen. Weil sich eine engagierte CVJM-Theologin um deren Austreibung bemüht, sorgen sich der Verein und die evangelische Kirche mittlerweile um ihren Ruf

Im Bistum Hildesheim wohnt außer einem katholischen Bischof offenbar auch Satan. Das zumindest veranlasste die dortige Vorsitzende des Christlichen Vereins Junger Menschen (CVJM), Gisela Hertle (67), 20 bis 30 an „dämonischen Mächten“ leidende Menschen durch Beten, Singen und Fasten aus Beelzebubs Fängen befreien zu wollen. Die Theologin schickte Mitglieder des CVJM zum Besuchsdienst in die nahe gelegene Psychiatrie, um den Patienten dort zu helfen, „wo Therapien und Medikamente nicht mehr helfen konnten“ – nach eigenem Bekunden auf Drängen Jesu von Nazaret.

Bis vor wenigen Wochen wurde diese Form der Seelsorge von den umliegenden Gemeinden geduldet, dann wandte sich ein Mitarbeiter des CVJM an den Kirchenkreis Hildesheim-Sarstedt.

Der warnte seine Gemeindemitglieder daraufhin in einem Rundschreiben vor den Aktivitäten Hertles. Obwohl der Nutzen von Seelsorge nicht in Frage gestellt werden soll, überschreite Hertle durch ihre religiöse Machtanmaßung als direktes Sprachrohr Jesu Christi die von der Kirche vertretbaren Grenzen, erklärt der stellvertretende Superintendent des Kirchenkreises, Pastor Sönke von Stemm. Die Kirche wolle mit der Distanzierung von der Vorsitzenden nicht dem CVJM schaden, so von Stemm, und warnt davor, den ökumenischen Jugendverein bundesweit als Gruppe von Exorzisten über einen Kamm zu scheren. Die Geschehnisse in Hildesheim seien ein Einzelfall. Auch der CVJM-Gesamtverband distanziere sich von Gisela Hertle.

Die Protestantin selbst sieht sich eher als Helferin für Menschen in Not. „Ich bin da, um euch zu helfen,“ spricht Jesus durch sein Medium Hertle. Sein Kampf gegen die dämonischen Mächte sei in den vergangenen zehn Jahren sehr erfolgreich gewesen. Besonders blieb ihm der Fall einer jungen Frau in Erinnerung, die während des Betens regelmäßig das Bewusstsein verlor. Dies sei ein eindeutiges Indiz dafür, dass der Dunkelfürst seine Rekrutin der Konkurrenz nicht kampflos überlassen wollte. Am Ende habe aber wie fast immer das Gute gesiegt. Patienten, die nicht geheilt wurden, habe man in die Klinik zurückbegleitet. Der Begriff Exorzismus sei für diese Arbeit unpassend, so Jesus alias Hertle. Satan werde in den Patienten lediglich durch ihn ersetzt.

Gisela Hertle geht davon aus, dass die Kritik an ihrer Arbeit nur eine Phase sei und Gottes Pfade sie in den nächsten Wochen wieder in geregelte Bahnen führen werden. Und nicht in die Psychiatrie. Jessica Riccò