bayreuth etc. …
: Der Dirigent, Sieger nach Noten

Nein, es war nicht die Betrübnis über langweilige Inszenierungen des „Rings des Nibelungen“, die unsere Korrespondentin Sabine Zurmühl vorzeitig aus Bayreuth abreisen ließ, sondern die Gesundheit. So blieb ihr erspart, worüber ihre Kollegen in den großen Tageszeitungen nun reihenweise die Köpfe schütteln: Dass sie Abend für Abend, vom „Rheingold“ bis zur „Götterdämmerung“ (am gestrigen Montag), Tankred Dorsts Inszenierungen des „Rings“ absitzen, so nah an Konvention und Naivität wie lange nicht mehr. „Am dritten Abend (…) werden alle Hoffnungen auf eine neue, interessante, ja, überhaupt auf eine Deutung begraben“ (Julia Spinola in der FAZ), so der allgemeine Tenor.

Da wird, in Ermangelung von diskussionswürdigen Interpretationsansätzen, das Vergleichen von Bühnenbildern und das Aufspüren der Vorbilder zur neuen Disziplin der Kritik, denn die Spalten der verabredeten großen Formate einer Bayreuth-Kritik wollen gefüllt sein. Auch über die Kostüme liest man viel.

Und endlich ist Platz für die Sänger und, als verspäteter und doch halbwegs über die Enttäuschung hinweghelfender Höhepunkt der Kritik, für Christian Thielemann, den Dirigenten, der sich nun als heimlicher oder eigentlicher Regisseur der Opern feiern lassen kann. Er tritt an die Stelle der Helden, deren Rollen die Inszenierungen nicht mehr mit Glaubwürdigkeit füllen, und an die Stelle des Regisseurs. Damit haben im Kampf um die Deutungshoheit eindeutig die Feinde des Regietheaters einen Punkt gemacht. Das ist sozusagen der Kollateralschaden einer verpatzten Saison in Bayreuth.

Wie vorausschauend, dass Staatsminister Bernd Neumann da schon vor der Neu-Inszenierung des „Rings“ das Bekenntnis des Bundes zu den Bayreuther Festspielen als „Aushängeschild für die Kulturnation Deutschland“ ausgesprochen hat: „Zur Förderung dieser Kulturinstitution von nationalem Rang wird deshalb der Bund auch zukünftig seinen Beitrag leisten.“ Mit 1,7 Millionen Euro, einem Drittel des Budgets, ist der Bund beteiligt. Einer von Neumanns Vorgängern, Michael Naumann, hatte noch eine Debatte über die Notwendigkeit, Bayreuth zu fördern, initiiert und eine Verjüngung von Leitung und Konzept als Voraussetzung ins Spiel gebracht. Die kam nicht zustande; mit der Einladung von Christoph Schlingensief und Lars von Trier wollte der Intendant Wolfgang Wagner die Fähigkeit der Verjüngung aus eigener Kraft unter Beweis stellen. Dass mit Lars von Triers Absage und dem schnellen Einspringen des alten Dramatikers Tankred Dorst als Debütant in der Opernregie der Schuss nun nach hinten losging, könnte die Diskussion eigentlich wieder auf Anfang zurückwerfen. Doch dem hat Bernd Neumann mit seiner Nibelungentreue schon mal gleich zur Eröffnung vorgebaut.

KATRIN BETTINA MÜLLER