: Staatlich verordnete Überforderung
KINDER Die Zentralelternvertretung will mit einer Petition verhindern, dass Zweieinhalbjährige schon in den Kindergarten müssen. Für viele sei das zu stressig. Die Behörde will kaum Ausnahmen zulassen
Mit einer Petition will die Bremer Zentralelternvertretung (ZEV) Eltern helfen, deren Kind nicht in seiner Tagesstätte für Kleinkinder bleiben darf. Der Hintergrund: Um den seit 2013 geltenden Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz umsetzen zu können, hat die Sozialbehörde verfügt, dass nun bereits Zweieinhalbjährige in den Kindergarten gehen müssen. Dieser war bisher regulär nur für über Dreijährige vorgesehen, hat aber auf einen Schlag einen Großteil der fehlenden Plätze geschaffen.
Die Behörde habe zugesagt, dass Eltern Ausnahmeanträge stellen könnten, wenn sie der Ansicht sind, dass ihr Kind besser in einer Kinderkrippe bleibt und erst im nächsten Jahr zu den Großen wechselt, so der ZEV. „Es gibt sicherlich Kinder, denen es nichts ausmacht und gut tut, in eine Gruppe von 3-6-Jährigen zu wechseln“, schreibt er. „Aber genauso gibt es – und das ist der überwiegende Teil – Kinder, die benötigen einen Rückzugsort, die Möglichkeit Mittagschlaf zu machen, eine Wickelgelegenheit, weil sie noch nicht trocken sind. Solche kleine Kinder müssen nicht solchen Stresssituationen ausgesetzt werden.“ Als „stressiger“ können Kindergärten empfunden werden, weil sie meist viel größer sind als Krippen. Während letztere oft nur aus ein bis drei Gruppen mit acht bis zehn Kindern bestehen, sind es in Kindergärten bis zu sieben Gruppen mit je 20 Kindern. Die Eltern müssten selbst entscheiden dürfen, ob ihr Kind schon in den Kindergarten kann, sagt die ZEV. Bis gestern Nachmittag hatte die Petition 153 UnterstützerInnen.
Die Sozialbehörde sieht dies anders. „Die Kindergärten sind so ausgestattet, dass auch unter Dreijährige dort gut betreut werden“, sagt Sprecher Bernd Schneider. Eine Ausnahme würde nur für Kinder gemacht, die erst „im Laufe des Kindergartenjahres“ aufgenommen worden seien, also in den Kindergarten wechseln würden, nachdem sie noch kein Jahr in ihrer Krippe verbracht haben. Die andere Möglichkeit: „Wenn Eltern eine Entwicklungsverzögerung ihres Kindes nachweisen können sowie die Bereitschaft, diese mithilfe eines Antrags auf Frühförderung aufzuholen.“
Eine „bodenlose Frechheit“ nennt dies Nicole Beyer, die Sprecherin der ZEV. Nur weil ein Zweieinhalbjähriges vom Kindergarten überfordert sei, heiße dies nicht, dass es entwicklungsverzögert sei. „Die Eltern werden jetzt durch sämtliche ärztliche Instanzen geschickt, damit sie sich einen Förderbedarf attestieren lassen, den es gar nicht gibt.“ Das bedeute, dass Bremen entweder für nicht benötigten Förderbedarfe zahle oder darauf setze, dass Eltern klein beigeben.
Von insgesamt 83 Anträgen seien bisher neun abgelehnt worden, 18 positiv beschieden und weitere 18 noch offen, so Schneider. In 38 Fällen sei darauf hingewiesen worden, dass die Eltern einen Förderbedarf anmelden könnten. Zunächst, so der ZEV, hätten alle Eltern einen ablehnenden Bescheid bekommen. Insgesamt gebe es vermutlich wie im vergangenen Jahr rund 1.600 Kinder, die zum Beginn des Kindergartenjahres im August noch keine drei Jahre alt sein werden, so Schneider. EIB